Das Top wird gegen ein wallendes Gewand getauscht
23.7.2010, 00:00 UhrJessica Oesel ist noch unentschieden. Gerade hat sie ein blaugrünes Gewand aus Bluse und Rock übergestreift und betrachtet sich im Spiegel. Richtig fürstlich sieht sie darin aus. »Den Rock musst du über den Pferdepopo breiten können«, gibt ihr Walburga Heger zu bedenken, die die Kleiderausgabe im Kostümfundus des Heimatvereins organisiert.
Denn am Sonntag wird Jessica im Gewand einer mittelalterlichen Fürstin von Weingarts zum Forchheimer Kellerwald reiten. Zwei Stunden könnte der Ritt dauern, da sollte das Beinkleid nicht zu eng sitzen.
Also muss etwas weiteres her. Das höchste der Gefühle entdeckt Walburga Heger schließlich in einer wallenden, majestätischen, ockerfarbenen Robe, die garantiert über jedes Pferdegesäß in ganz Weingarts passen wird. Noch schnell den geeigneten Mantel und eine schwarze, edelsteinbesetzte Haube dazu, und fertig ist die Fürstin. Erfahrung mit Festzügen hat Jessica schon vom Georgiritt in Effeltrich. »Aber in dem Ausmaß wie hier hab ich’s noch nie gemacht«, meint sie - und freut sich auf den historischen Annafestzug.
Trotzdem zieht sie ihr ganz und gar nicht sommerliches Fürstinnengewand nun lieber wieder aus. Kurze Hose und Top passen eben doch besser zur Jahreszeit. Mit ihrer Freundin Sofie Politi, die am Sonntag einen unberittenen Herold spielt, geht Jessica jetzt erstmal ein Eis essen.
Was vor 1100 Jahren geschah
In diesem Jahr hat sich der Heimatverein Forchheim für den Zug eine frühe Phase der Stadtgeschichte ausgesucht: Die Zeit König Konrads I., der im Jahr 911 nach Christus in Forchheim gekrönt wurde, und bis zu seinem Tod sieben Jahre lang regierte. Seine Krönung markierte für den Königshof Forchheim einen Höhe- und gleichzeitig einen Wendepunkt, der den Bedeutungsverlust der Stadt in der ostfränkischen Reichspolitik heraufbeschwor.
Angeführt wird der Zug, der am Sonntag um 13 Uhr vom Ausstellungsgelände zum Kellerwald durch die Stadt zieht, von vier Trommlern, denen König Konrad folgt. Hinter ihm laufen die Bischöfe, dahinter reiten Fürsten, Grafen sowie ihre Gemahlinnen, das Gefolge ist zu Fuß unterwegs. Insgesamt acht Pferde werden im Einsatz sein. »Es ist gar nicht so leicht, im Zug mitzureiten«, erklärt Walburga Heger. »Durch das Getrommel und das häufige Anhalten werden die Pferde leicht nervös. Da muss man seinen Gaul gut im Griff haben.«
Ein stolzes Ross
Dies gilt vor allem für Michael Lang, der König Konrad verkörpert. »Ich bin durch Erzählungen auf den Festzug aufmerksam geworden«, erzählt er. »Weil ich ein festzugtaugliches Pferd besitze, wollte ich mitmachen.« Langs stolzes Ross, das in einem Weingartser Stall untergebracht ist, bringt es auf eine Stockhöhe von immerhin 1,86 Meter und wiegt 900 Kilo. »Ich brauche festes Schuhwerk«, erklärt Lang, ebenfalls festzugerfahren. »Sonst ist mein Fuß ab, wenn das Pferd draufsteigt.« Deshalb wird eine Bekannte – ebenfalls in einem von Walburga Heger hervorgezauberten mittelalterlichen Gewand – nebenher laufen und das temperamentvolle Tier beruhigen, wenn nötig.