Katastrophenszenario
Blackout nach Hochwasser: Was würde im Kreis Forchheim passieren?
22.7.2021, 16:14 UhrSzenarien dafür gibt es zur Genüge: Im Winter kann schlicht auch Schnee- und Eislast Überlandleitungen zum Abreißen und Strommasten zum Umknicken bringen – genau wie schwere Sturmwinde. Auch vor Hackerangriffen auf die Versorgungsinfrastruktur wird seit Jahren immer wieder gewarnt. Wenn der Strom mal für ein paar Sekunden oder Minuten weg ist, sind meist keine gravierenden Folgen zu befürchten: Das Licht im Haus geht kurz aus; wenn man das Zwischenspeichern vergessen hat, kann ein gerade am Computer getippter Text weg sein; und die eine oder andere Uhr muss neu gestellt werden.
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Wenn der Strom dagegen für längere Zeit ausfällt, wird es schwieriger. Schließlich funktioniert in unserer modernen Welt so gut wie alles mit Strom – von der Heizungspumpe im Keller über den Kühlschrank in der Küche und den Torantrieb in der Garage bis hin zum Festnetztelefon und zum Internetrouter. In der Landwirtschaft hängen Futterautomaten für Tiere am Strom, in Handwerks- und Industriebetrieben fallen ohne Saft sämtliche Geräte und Maschinen aus. Und auch Mobilfunkmasten brauchen Energie. Eine Anfrage bei der Katastrophenschutzbehörde im Landratsamt nach den zu erwartenden Schäden eines großen Blackouts erbrachte folgende Antwort: "Hierzu können keine verlässlichen Angaben gemacht werden. Die Schäden dürften aber enorm sein."
Kliniken und Polizeistationen sind versorgt
Weit hergeholt ist die Befürchtung eines größeren Blackouts nicht: Erst im November waren die Steckdosen im Bereich Heroldsbach/Hausen für mehrere Stunden lang tot. Manche Haushalte blieben nach dem Beginn der Ausfälle am späten Nachmittag bis weit nach Mitternacht ohne Strom. Die Ursache damals: Ein Kurzschluss im Netz, der zur Überlastung weiterer Leitungen in der Umgebung und dann zum flächendeckenden Totalausfall im Westen des Landkreises führte.
Arbeits- und einsatzfähig bleiben in so einem Fall nur Einrichtungen, die ein Notstromaggregat besitzen. Davon gibt es im Landkreis Forchheim nicht viele: Wie das Landratsamt auf Anfrage mitteilt, sind die beiden Dienststellen des Landratsamts in Forchheim und Ebermannstadt und somit auch die Räumlichkeiten der sogenannten Führungsgruppe Katastrophenschutz, die bei größeren Notlagen zur Einsatzsteuerung besetzt werden, mit einer Notstromversorgung ausgestattet. Das Gleiche gilt für die beiden Kliniken und Polizei-Inspektionen in Forchheim und Ebermannstadt. Allerdings hat die Notstromversorgung im Landkreis zumindest eine große Lücke, wie aus der Antwort des Landratsamts hervorgeht: "Feuerwehrhäuser dürften zumindest auf dem Lande größtenteils nicht mit Notstromaggregaten ausgestattet sein."
Das Thema "großflächiger Stromausfall" sei im Landkreis Forchheim bereits mehrmals mit den verschiedenen Hilfsorganisationen diskutiert worden, das teilt die Kreisverwaltung weiterhin mit. Eine einheitliche Handlungsempfehlung für die Einsatzplanung des Brand- und des Katastrophenschutzes im Fall eines flächendeckenden Stromausfalls, die es etwa im benachbarten Hessen gebe, sei in Bayern bislang nicht vorhanden. Auf Kreisebene habe man aber immerhin ein leistungsstarkes und mobil einsetzbares Notstromaggregat mit 400 kVA angeschafft, um größere Objekte wie Wohnheime oder Hallen zur Notversorgung der Bevölkerung im Fall eines Stromausfalls versorgen zu können.
Krisenstäbe der Netzbetreiber
"Weitere kleinere Aggregate stehen bei den Hilfsorganisationen, vornehmlich beim THW." Bei der Fortschreibung des Landkreis-Entwicklungskonzepts für den Brand- und Katastrophenschutz von 2021 bis 2026 soll ein Handlungskonzept für einen flächendeckenden Stromausfall nach hessischem Muster unter Einbeziehung der im Landkreis angesiedelten Kommunen, der Hilfsorganisationen und der Stromversorger erarbeitet werden.
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Das Absetzen von Notrufen via Handy scheint auch bei einem längeren Blackout gesichert zu sein, was besonders dann bedeutsam wird, wenn die Festnetztelefonie nicht mehr funktioniert: Der Mobilfunkanbieter Vodafone teilt auf Nachfrage mit, dass es für alle Mobilfunknetze in Deutschland für Stromausfälle und andere Katastrophenszenarien ein präventives und ein reaktives Krisenmanagement gebe, um die Grundversorgung aufrecht zu erhalten. Im Vodafone-Netz seien die Standorte doppelt abgesichert, um Stromausfälle überbrücken zu können: Durch eine unterbrechungsfreie Stromversorgung (USV) durch den jeweiligen Energiedienstleister und durch eine Netzersatzanlage.
Die Netzknotenpunkte hätten eine Batteriekapazität von zwei bis vier Stunden zur Überbrückung. Die Basisstationen, die vor Ort die Mobilfunk-Grundversorgung sichern, seien mit einer Batteriekapazität von rund einer Stunde ausgestattet. Es bleibe im Falle eines Stromausfalls also Zeit, so Vodafone weiter, um etwa Notstrom-Aggregate in Betrieb zu nehmen. Bei einem längeren Stromausfall in einer Region könnten zwar nicht alle Mobilfunkstationen am Netz bleiben, aber zumindest so viele, dass eine Grundversorgung sichergestellt sei.
Überörtlich ist das Bayernwerk für die Stromversorgung der Region zuständig. Von dort heißt es zu einem möglichen Blackout im Landkreis Forchheim: "Sollte es zu einem Katastrophenfall in der von Ihnen beschriebenen Art kommen, so arbeiten die Krisenstäbe der Netzbetreiber mit den Krisenstäben der Kommunalverwaltungen eng zusammen." Die Netzleitstellen aller Netzbetreiber, die Integrierten Leitstellen (ILS) und die Polizeidienststellen seien im Krisenfall direkt miteinander verbunden, um sich schnell und effektiv abzustimmen. Um Großstörungen wieder zu beheben, hätten die Stromnetzbetreiber sogenannte Netzwiederaufbaukonzepte ausgearbeitet. "In die Abläufe sind alle Netzbetreiber, also auch Stadtwerke mit eigener Stromversorgung, nach fester Reihenfolge eingebunden", teilt das Bayernwerk mit.
Szenarien werden trainiert
Mehrmals pro Jahr finden außerdem sogenannte Kaskaden-Übungen statt, bei der sämtliche Ebenen des Stromnetzes von der Überland-Hochspannungsleitung bis zum lokalen Verteilnetz eingebunden sind. Die Mitarbeiter der Netzleitstellen würden regelmäßig an einem Simulator auf unterschiedliche Störungsszenarien trainiert und vorbereitet. Zusammen mit den Betreibern der Übertragungsnetze und der Kraftwerke würden möglichst realistische Störungsszenarien geübt. Das Ziel der gemeinsamen Übungen sei, bei einem großflächigen Ausfall zunächst die überregionale Stromversorgung wiederherzustellen, um anschließend nach und nach auch die lokale Stromversorgung wieder aufzubauen.
Die Stadtwerke Forchheim haben, wie aus der Antwort auf unsere Anfrage hervorgeht, eine eigene Notstromversorgung, die im Falle eines größeren Stromausfalls zumindest die Netzwarte versorgt. Dadurch könne im Ernstfall ein schnelles Entstörungsmanagement auf lokaler Ebene erfolgen und die Zuschaltung ausgefallener Netze mit einer Rufbereitschaft koordiniert werden. Für die Rufbereitschaft, die rund um die Uhr erreichbar sei, stünden analoge Funkgeräte und Satellitentelefone zur Verfügung, um auch bei einem Ausfall des Mobilfunknetzes die Kommunikation aufrechterhalten zu können.
Die Stromversorgung in Forchheim bezeichnen die Stadtwerke als sehr stabil: "Im Schnitt sind die Bürgerinnen und Bürger im Netzgebiet der Stadtwerke Forchheim in den vergangenen Jahren unter zwei Minuten ohne Strom gewesen." Im Falle einer Störung im örtlichen Netz seien innerhalb einer halben Stunde Techniker vor Ort, um die notwendigen Schritte einzuleiten.
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