Forchheim: Betagter Angeklagter zeigt keine Einsicht

31.5.2019, 05:58 Uhr
Forchheim: Betagter Angeklagter zeigt keine Einsicht

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Ein 88-Jähriger musste sich vor dem Amtsgericht Forchheim verantworten, weil er mit seinem Fahrzeug eine Fahrradfahrerin angefahren und danach Fahrerflucht begangen hatte. Die Frau zog sich dabei mehrere Verletzungen zu, konnte sich aber das Autokennzeichen merken. Drei Tage später stattete die Polizei dem flüchtigen Rentner einen Besuch ab. Der Angeklagte schilderte den Unfallhergang allerdings etwas anders.

Aus seiner Sicht habe er sich vorschriftsmäßig verhalten, die ausgesprochenen Anschuldigungen seien falsch. Auf einer mitgebrachten Skizze schilderte er Richterin Silke Schneider den Unfallhergang. Am besagten Tag bog er von der Bamberger Straße nach rechts in die Wiesentstraße ein. Zuvor hätte er gebremst, nach links und rechts geschaut und sei dann im Schritttempo in die Straße gefahren.

"Schnell kann man da sowieso nicht fahren, da sich wegen Bauarbeiten weiter vorne eine Engstelle befindet", so der Rentner. Als es "rumms" machte, sei er sofort stehen geblieben. Er habe einen Moment gebraucht, um sich zu beruhigen, dann sei er ausgestiegen.

Er sah vor sich eine Frau am Boden liegen, neben ihr ein verbeultes Fahrrad. Ein herbeigeeilter Bauarbeiter hätte der Frau zwischenzeitlich schon auf die Beine geholfen und war gerade dabei das völlig demolierte Fahrrad der Dame auf den Gehsteig zu schieben. Er sagte weiter aus, die Frau auch angesprochen zu haben.

Nachdem die 68-Jährige aber nicht reagiert hätte und er obendrein der Ansicht war, dass ihn keine Schuld treffe, beschloss er weiterzufahren. Verletzungen oder ähnliches, sei ihm in diesem Moment bei der Frau nicht aufgefallen. Beruhigt fuhr er davon, ohne einen weiteren Versuch zu starten, mit der Frau ins Gespräch zu kommen.

Keine Sonderbehandlung

Schneider klärte den Angeklagten im Anschluss erst einmal darüber auf, dass unabhängig wer die Schuld am Unfall trage, ein vorzeitiges Verlassen des Unfallortes immer als Fahrerflucht gewertet werde. Dies wollte der Rentner aber überhaupt nicht einsehen. Des Weiteren zeigte sich Schneider äußerst überrascht darüber, dass der 88-Jährige überhaupt noch einen Führerschein besitze. "Der Grund dafür kann nur ein Versehen beziehungsweise ein Übersehen der Staatsanwaltschaft sein", vermutete Schneider weiter. Eine geforderte Einstellung des Verfahrens wies sie entschieden zurück.

Mit der Tatsache, dass er 88 Jahre alt wäre, könne er keine Sonderbehandlung im Straßenverkehr verlangen. Der Angeklagte zeigte allerdings keinerlei Einsicht und unterbrach Schneider mehrmals.

Das Unfallopfer stellte den Hergang anders da. Die 68-jährige Hausfrau, die an diesem Tag keinen Fahrradhelm trug, hatte den Angeklagten in seinem Auto herankommen sehen. Da es sich in der Straße um eine 30er Zone handelte, hatte sie angenommen, dass sie noch locker die Kreuzung überqueren könne.

Laut ihrer Aussage erwischte sie der Angeklagte mit seinem Fahrzeug allerdings erst nach der Kreuzung und auch nicht von der Seite, sondern direkt von hinten am Hinterrad ihres Fahrrads, was eine in der Verhandlung später aufgerufene Zeugin auch bestätigen konnte. Die 68-Jährige sagte weiter aus, am Boden gelegen und ein paar braune Hosenbeine gesehen zu haben und eine Stimme gehört zu haben, die ihr zurief: "Ich hatte Vorfahrt!"

Mit diesen Worten hätte sich der Herr umgedreht, sei in seinen Wagen gestiegen und davon gefahren. Sie erlitt bei dem Unfall mehrere Abschürfungen, Hämatome und Prellungen, darunter auch eine Rippenprellung und eine Beule am Kopf. Sie räumte trotzdem eine Teilschuld ein: "Ich habe die Situation falsch eingeschätzt und hätte an der Kreuzung warten sollen". Auch wollte sie weder Schmerzensgeld noch eine Entschädigung für das kaputte Fahrrad haben.

"Eine einfache Entschuldigung hätte mir schon genügt. Dass da gar nichts kam, hat mir weh getan", sagte die 68-Jährige. Eine weitere Dame verständigte mit ihrem Handy die Polizei.

"Ihr Lügengebäude fällt zusammen"

Den Angeklagten beeindruckte die Aussage der Hausfrau aber keineswegs. Er blieb stur: "Ich finde diesen Bauarbeiter und lasse ihn als Zeugen aussagen, dann fällt Ihr Lügengebäude was Sie hier errichtet haben in sich zusammen". Rechtsanwalt Frank Cimander zog sich daraufhin mit seinem Mandanten für ein kurzes Beratungsgespräch zurück.

Staatsanwalt Georg Karl eröffnete das Plädoyer mit der Feststellung, dass für ihn der Beweis für die Tat erbracht worden war und forderte 80 Tagessätze zu 70 Euro und die Einziehung des Führerscheins. Keine Vorstrafen und keine böse Absicht, das spräche für den Rentner.

Zu Lasten des 88-Jährigen gehe die Tatsache, dass er null Einsicht zeigte und das Opfer der Lüge bezichtigte. Cimander bezeichnete den Vorfall als "noch einmal glimpflich ausgegangenen, unglücklichen Verkehrsunfall" und forderte, die Einstellung des Verfahrens.

Der Angeklagte hatte das letzte Wort: "Ich bin Zeit meines Lebens ein Ehrenmann gewesen und jetzt stehe ich als Verkehrsrowdy da." Er zahle seine Strafe, auch wenn er unschuldig sei. Er bat innigst und unter Tränen darum, ihm seinen Führerschein zu lassen, da er auf sein Auto angewiesen sei.

Das Urteil von Schneider war im Anschluss dennoch eindeutig. Sie schloss sich weitestgehend der Meinung des Staatsanwalts an: 50 Tagessätze zu 70 Euro und die Einziehung der Fahrerlaubnis. Die Kosten des Verfahrens trägt der 88-Jährige. Richterin Schneider schloss mit den Worten: "Sie sollten in Betracht ziehen, dass auch Sie einen Fehler gemacht haben. Etwas mehr Einsicht hätte Ihnen heute gut getan."