Forchheim: Impfzentrum kämpft mit Dränglern und überlasteten Leitungen
13.5.2021, 12:00 UhrRechnet man die rund 20.000 Kinder und Jugendlichen raus, für die es bis jetzt noch keinen Impfstoff gibt, liegt die Quote sogar bereits bei fast 44 Prozent.
Und sie könnte durch die Sonderimpfaktion in der Pretzfelder Turnhalle am Donnerstag noch einmal deutlich steigen. Der medizinische Leiter des Forchheimer Impfzentrums und Pretzfelder Hausarzt Dr. Joachim Mörsdorf bietet dort einen Sonderimpftag mit dem Impfstoff von Astra Zeneca an, zu dem sich jetzt bereits 600 Personen angemeldet haben.
Vorbehalte gegen Astra Zeneca
Soweit die guten Nachrichten. Nun kommt das Aber. Denn auch im Landkreis macht sich bemerkbar, worüber überregional bereits berichtet wurde: Zum ersten versuchen immer wieder Personen, die in der Priorisierung eigentlich noch nicht an der Reihe wären, dennoch an eine Impfung zu kommen. Zum zweiten lehnen Ältere mitunter den Astra Zeneca Impfstoff ab und bestehen auf den von Biontech und zum dritten sorgt die Ankündigung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, die zweite Astra Zeneca-Impfung schon ab vier Wochen nach der ersten geben zu können, für glühende Telefonleitungen im Impfzentrum.
Doch der Reihe nach: Zum Thema Impfdrängler bestätigt Sebastian Weiß vom ASB, der das Impfzentrum des Landkreises leitet, „dass die Situation bei uns genauso ist, wie anderswo“. Will heißen: Menschen melden sich über das bayerische Impfportal Bayimco an und geben Daten an, die sie in der Priorisierung nach oben rücken lassen. Diese müssen sie bei ihrem Termin im Impfzentrum natürlich belegen. Doch das kann nicht jeder.
„Natürlich gibt es die Schusseligen, die ihre Unterlagen zu Hause vergessen haben oder nicht darüber nachgedacht haben, dass sie zum Beispiel ein Attest vom Arzt brauchen“, erzählt Sebastian Weiß. „Denen ist das dann auch peinlich.“ Wenn es zeitlich passt, bieten ihnen die Mitarbeiter des Impfzentrums an, ihre Unterlagen noch zu holen und zu einem späteren Zeitpunkt wieder zu kommen.
Aber es gibt auch die, die es offensichtlich einfach mal versuchen, mit unbelegten Daten zu einer Impfung zu kommen. „Das merken wir häufig daran, dass sie, wenn man nach den Unterlagen fragt, sofort explodieren“, sagt Weiß. Dann entstünde nicht selten eine lange Diskussion, in der sie versuchen, die Mitarbeiter doch noch davon zu überzeugen, dass sie geimpft werden. Immerhin seien sie ja jetzt schon mal da. „Das ist aber nicht möglich“, macht der Leiter des Impfzentrums klar – und wird deutlich: „Das stört natürlich die Arbeitsabläufe hier ungemein, denn wir müssen für die, die wir wegschicken, die Termine kurzfristig nachbesetzen.“
Dabei seien die Mitarbeiterinnen in der Telefonzentrale momentan sowieso schon in der Dauerschleife. Dafür sorgt vor allem die Ankündigung von Jens Spahn in der vergangenen Woche, dass die Zweitimpfung mit Astra Zeneca vorgezogen werden könne. Seitdem sind im Impfzentrum rund 500 Mails eingegangen und unzählige Anrufe. Alle mit dem selben Anliegen: Ob es möglich ist, die zweite Impfung statt nach zwölf Wochen schon nach vier, fünf oder sechs Wochen zu erhalten.
"Das geht bei uns nicht"
Der Leiter des Impfzentrums sagt dazu: „Das geht bei uns nicht.“ Laut Staatsregierung sei die Vorverlegung des zweiten Impftermins nur in Hausarztpraxen möglich, nicht in den Impfzentren. Es ließe sich rein organisatorisch gar nicht regeln. „Wir haben den Impfstoff gar nicht“, sagt Weiß. Der sei so bestellt, dass die Fristen von zwölf Wochen zwischen beiden Impfterminen eingehalten werden. „Es nützt also nichts, bei uns nachzufragen“, erklärt er. Allenfalls in dringenden Ausnahmefällen könne man die Zweitimpfung bereits zwischen der zehnten und zwölften Woche geben: Bei Erkrankung (dann mit Attest vom Arzt) und bei einem Todesfall in der engsten Familie. Auf keinen Fall aber bei geplanten Urlaubsreisen.
Abgesehen davon sei es medizinisch nicht ratsam, die Zweitimpfung vorzuverlegen. „Nach vier Wochen liegt die Wirksamkeit von Astra Zeneca bei 55 Prozent, nach zwölf Wochen bei 80 Prozent“, so Weiß. Daher sei es auch gut, dass die Hausärzte darüber entscheiden und ihre Patienten beraten, ob eine frühere Zweitimpfung ratsam sei.
Erst-Impfungen mit Astra Zeneca werden aktuell ausschließlich bei den Hausärzten durchgeführt. Und die bekommen auch die Vorbehalte der Patienten über 60 Jahre zu spüren, die diese gegenüber dem Impfstoff haben. Leider wurden da sehr viele Ängste geschürt, erklärt Dr. Joachim Mörsdorf, Hausarzt aus Pretzfeld, und zieht einen ungewöhnlichen Vergleich: Jedes Jahr sterbe einer von 40.000 Bürgern in Deutschland im Straßenverkehr. Wer denke da schon darüber nach, wenn er eine Straße betritt oder sich ins Auto setze. Den Über-60-Jährigen, die bei ihm in der Praxis die Impfung mit Astra Zeneca ablehnen und auf Biontech bestehen, erklärt er dann, dass sie sich weiter hinten in die Reihe stellen müssten. „Wir impfen mit Biontech erst einmal die Jüngeren, die durch eine Erkrankung ein höheres Risiko für einen schwereren Verlauf haben“, sagt er.
Dennoch sei die Nachfrage nach Impfungen hoch. Das habe er nun wieder bei der Organisation der Sonder-Impfaktion gemerkt, die am heutigen Donnerstag stattfindet: „Eigentlich hatten wir nur Impfstoff für 500 Personen bestellt“, erklärt Mörsdorf. Doch die Nachfrage war so groß, dass die Praxis noch einmal nachgeordert habe: Nun sind es 600 Impfdosen, die heute verimpft werden sollen.
Und auch vom Impfzentrum kommen noch gute Nachrichten: Vor kurzem ist dort eine kleine Menge an Impfstoff von Johnson und Johnson eingetroffen, der nur einmal verimpft werden soll. Zunächst soll er den Wohnungslosen in Forchheim zur Verfügung gestellt werden. „Wenn wir von dort eine Anfrage bekommen, können wir kurzfristig etwas organisieren“, sagt Sebastian Weiß.
JANA SCHNEEBERG
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