Gespür für dramatische Effekte
10.02.2010, 00:00 Uhr
Im ersten Teil verstärkte zudem der Knabenchor des Bamberger Domchores, einstudiert von Werner Pees, die Wirkung. Begeisterung und Ergriffenheit nicht nur bei Astrid Haas von der Gesellschaft zur Förderung von Kultur in Forchheim, sondern auch bei den rund 250 Zuhörern.
Eva-Maria Helbig aus Erlangen hatte als Sopran die kontemplativen Arien verinnerlicht. Einige Instrumentalisten durften solistische Akzente setzen: Hanna Cwyl (Flöte), Ines Hauer (Oboe), Helene Godefroy (Viola da Gamba), Katharina Pfretzschner-Runge (Orgel) und Johannes Keltsch (Cello). Dieter Wagner aus Lörrach trieb als Evangelist mit seiner Tenorstimme das Geschehen voran. Bei den ungeheuren Textmassen, die Bach hier bearbeitet hat, keine ganz leichte Aufgabe.
Einzige Fehlbesetzung
Als Christus war der Bass Martin Popp eine Fehlbesetzung, übrigens die einzige eines ansonsten glänzenden Abends. Der junge Sänger ist in der Stimmlage deutlich zu hoch, fast schon tenoral, und im Volumen den Anforderungen nicht annähernd gewachsen. Bass Thomas Rosenfeldt und seine Frau Kerstin (Alt) aus Bamberg konnten stimmlich noch den größten Eindruck hinterlassen.
Vor allem in der flehentlichen Arie «Erbarme dich, mein Gott», die vom musikalischen Gespräch zwischen der Altistin und dem Violinisten Bernd Müller aus Erlangen lebt. Hier wurde deutlich, dass Bach ein Meister seines Faches ist. In den kleineren Rollen als Mägde durften die Chorsängerinnen Franziska Lorenz und Julia Deutsch aus Forchheim eingreifen. In seiner dialogischen Struktur spielt die Matthäus-Passion mit dem Gegensatz von Chor und Solisten, von Chor und Orchester, und von Chorteilen untereinander.
Ein gewisser Grad an Spannung resultiert gerade daraus. Und Michael Goldbach ging den emotionalen Passagen auf den Grund. Schnörkellos, weichmelodisch und mit einem Händchen für dramatische Effekte in einer sonst sehr lyrisch gestalteten Komposition. Das Orchester nutzte jede Gelegenheit, den wunderbaren Streicherakkorden nachzuspüren, mit Klarheit zu intonieren und den Paul-Gerhardt-Choral «O Haupt voll Blut und Wunden» leitmotivisch in Szene zu setzen.
Am Ende heißt es «Wir setzen uns mit Tränen nieder.» Da stand das Publikum, mitgerissen von einer monumentalen Aufführung. Ach, wenn doch Buße und Schmerzen immer ästhetisch so anspruchsvoll und genussreich wären. UDO GÜLDNER