Klare Regel geben Halt
03.06.2011, 18:16 Uhr
Mitten im Ort steht das große, gelb gestrichene Haus. In die ehemalige Wirtschaft „Zur alten Post“ ist im September 2005 nach aufwendiger Renovierung die „Junge Lebensgemeinschaft“ (Jule) eingezogen. Zurzeit leben dort acht Kinder und Jugendliche unter der Leitung von Ulrike Brietz. Daneben wohnen vier weitere Jugendliche betreut in abgeschlossenen Appartements im weitläufigen Gebäude.
Die Sozialwissenschaftlerin und ihr Mann Matthias Brietz, Erzieher und Musiker, sind Herz und Seele der Gemeinschaft. Sie leben mit ihrer Pflegetochter auch im Haus, in einer abgetrennten Wohnung im Dachgeschoss. Unterstützt wird das Ehepaar von etlichen Mitarbeitern – von Sozialpädagogen, Erzieherin, Heilerzieherpfleger und freiberuflichen Fachkräften.
Fernsehzeit beschränkt
Ulrike Brietz führt durch das Heim: Alles ist hell, freundlich, modern eingerichtet. Überall hängen Fotos und bunte Bilder, stehen Grünpflanzen. Im Spielezimmer stehen verschiedenste Instrumente, für den Computer ist eine kleine Ecke reserviert. Es gibt im Haus nur ein Fernsehgerät im gemeinsamen Wohnzimmer. „Die TV- und Computerzeiten sind je nach Alter gestaffelt und klar geregelt“, sagt Ulrike Brietz. Für die Neuen sei es oft schwierig, dass der Fernseh nicht ständig laufe oder keine Playstation da sei.
Klare Regeln sind im Haus Jule wichtig. Die Kinder und Jugendlichen im Alter zwischen fünf und 18 Jahren, die in die Jule kommen, haben alle ein schweres Päckchen zu tragen. Die Gründe sind vielfältig. In der Jule sollen diese jungen Menschen auf der Basis einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft gestützt, begleitet, gefördert und Defizite ausgeglichen werden. Ziel sei stets, wenn möglich, die Rückführung ins Elternhaus.
Es gibt feste Essenszeiten, Hausaufgabenzeit und Zeit für Freizeitaktivitäten. Feste wie Geburtstage, Ostern oder Weihnachten werden groß gefeiert. „Alles hat seine feste Struktur.“ Einige Kinder sind in Vereinen im Dorf integriert, ein Mädchen ministriert in der Kirche. Überhaupt laufe es in Unterleinleiter echt gut. „Es war von Anfang an eine gute Stimmung hier“, freuen sich Ulrike und Matthias Brietz.
Mitten in der Küche steht ein riesiger Esstisch mit zwölf Plätzen. „Wenn Besuch da ist, kann er noch ausgezogen werden“, sagt Ulrike Brietz. An der Wand hängt eine Tafel, auf der genau eingetragen ist, wer wann welche Hausarbeiten zu erledigen hat. „Bei uns müssen alle zusammen helfen.“ Es wird zusammen gekocht, jeder muss mal staubsaugen oder putzen. Die Arbeitsaufteilung scheint bestens zu funktionieren, alles ist blitzblank.
Kinoabend im Keller
Die Zimmer der Kinder, zum Teil mit Bad, sind individuell eingerichtet. „Sie sollen sich hier wohlfühlen, deswegen dürfen sie sich ihre Möbel aussuchen.“ Mädchen lieben Lila- und Violett-Töne, die Jungs mögen‘s spartanischer und „cooler“. Im Keller, der ehemaligen Bar der Gastwirtschaft, gibt es einen großen Bewegungsraum mit Gummimatten, Hängematten, Schaukeln, Kicker, Billard und Boxsack. Und bei Bedarf wird er zum Partyraum umgestaltet oder einmal pro Monat für den Kinoabend bestuhlt, zu dem auch die Dorfjugend kommt.
Dagmar May, Leiterin des Jugendamtes, ist beim Rundgang die Jule, die das Jugendamt mit Tagessätzen zu 123 Euro je Kind finanziert, dabei: „Das ist wirklich eine schöne Einrichtung“, lobt sie. „Wir sind halt ein kleines Heim“, erläutert Ulrike Brietz. Doch genau so wollte es die Sozialwissenschaftlerin auch, als sie 1999 die Jule, die zunächst in einem Haus in Eggolsheim untergebracht war, gegründet hat. „Ich muss jedes Kind kennen, muss wissen, wie es ihm geht. Sonst bin ich nicht zufrieden“, sagt sie. In einem größeren Haus wäre so ein persönlicher Draht nicht möglich.
Urlaub an der Nordsee
Und wie steht es mit Urlaub? In den Sommerferien verreist die Jule-Familie zwei Wochen in ein Ferienhaus zum Beispiel an die Nordsee, nach Frankreich oder Dänemark. An Pfingsten ist Erlebnispädagogik angesagt: Zelten, Kanu fahren, Wandern, Radfahren, Klettern, Höhlen erforschen in der Fränkischen Schweiz.
Letzte Ostern wollte Familie Brietz eigentlich mal alleine in Urlaub fahren, doch die Betreuerin, die sonst einspringt, war in Mutterschutz. „Also haben wir die halbe Gruppe einfach mitgenommen auf die Insel Föhr“, erzählt Ulrike Brietz. „Das Haus ähnelt sehr einer normalen Familie“, findet Dagmar May und das sei eben auch das Gute an dem Kleinstheim.