Mit heiterer Hand inszenierte Abschieds-Theaterrevue
09.05.2014, 18:03 UhrVon Romantik, von Leidenschaft, von Verzweiflung keine Spur. Romeo (Julian Horsch) langweilt sich, und Julia (Darlene Fabian) auch. Vielleicht begehen sie deshalb ja Selbstmord. So ganz können die Schauspieler der RSC den Klassiker, der vor 450 Jahren das Licht der Welt erblickt haben soll, doch nicht ernst nehmen. Möglicherweise, weil ständig irgendwelche gut aussehenden Edelmänner auftauchen? Oder weil am Ende entweder alle Protagonisten verheiratet sind (Komödien) oder tot (Tragödien)? Und was ist da eigentlich genau der Unterschied?
Ironische Distanz
Die ironische Distanz ist ein durchgängiges Wesensmerkmal aller Rainer-Streng-Inszenierungen. Julia steht nicht nur auf Romeo, sondern in ihrer berühmten Balkonszene auch auf Telefonbüchern, Macbeth bekommt den Dolch nicht zu fassen (ist das zu fassen?), und der Geist von Hamlets Vater braucht ein Erkennungsschild für Kurzsichtige. Außerdem ist der Totengräber angesichts der Shakespearschen Leichenberge gerade an Erschöpfung gestorben (wer beerdigt eigentlich den?).
Auf einem Buchrücken führt der wilde Ritt durch die Phantasie und lässt auch Julian Baumann, David Waldmann, Eva Rüther, Andreas Völkert, Alexandra Scherf, Bianca Neudecker und Franziska Weber in kleineren Rollen Raum zur Entfaltung.
Ein besonderes Wiedersehen ist eine Schlüsselszene aus „Der Widerspenstigen Zähmung“, die so bereits vor acht Jahren zu sehen war. Auch damals mit Sonja Steinhart als wunderbar kratzbürstiger Katharina und mit Martin Schmaus als eingebildetem Schönling Petrucchio.
Bluttriefende Tragödien
Die Königsdramen sind mit „Hamlet“ und „Macbeth“ vertreten. Beides sehr bluttriefende Tragödien, in denen diesmal ein schottenberockter Macbeth (David Lehmann) nicht nur Schwierigkeiten mit seiner über Leichen gehenden „Alten“ (Franziska Hofmann), sondern auch mit einem Dolch hat.
Die eigentlich geisterhaften Hexen entpuppen sich unter Rainer Strengs heiterer Hand eher als ziemlich lachhaftes Trio (Julia Seidel, Julian Horsch, Julia Zametzer). Eine will ständig nur Kuchen essen, die Zweite ist vom Wetter genervt, und die Dritte nur ein parodistisches Abziehbild.
Aus Shakespeares 38 Stücken hat Rainer Streng in 13 Jahren einige ausgewählt, die an diesem Abend trotz „Shakespeare für Eilige“ leider nicht vorkommen: Othello, Die lustigen Weiber von Windsor, Maß für Maß . . .
Höhepunkt des Abends aber ist die slapstickhafte Handwerker-Szene aus dem „Sommernachtstraum“. Das Theater auf dem Theater, in dem „das einfache Volk“ die hohe Kunst zelebriert, ist ein Klamauk erster Güte. Aber nur dann, wenn die Schauspieler den schmalen Grat zwischen lachhaft und lächerlich kennen.
Besonders Marvin Götz und René Kraus als tragisches Liebespaar Pyramus und Thisbe rocken dabei die Bühne. Der eine beschwert sich bei seiner Selbstentleibung höchst lautstark, dem anderen platzt bang der Busen — zwei Luftballons.
Schrecklich lustiger Löwe
Die Zuschauer (Carolin Müller, Ramona Kraus) folgen dem (w)irren Prolog des Squenz (Anne Ringel) ebenso mit Begeisterung wie dem brüllenden Löwen (Florian Kraus), der ganz schrecklich spielt und dabei schrecklich lustig ist.
Wie erotisch eine Wand sein kann, zeigt Tamara Weinkauf mit allerlei unzweideutigen Worten und Gesten. Der Mond (Jessica Mayer) verdeckt die Szene nicht ohne Grund.
Wie ein antiker Chor ruft es schließlich vernehmlich von der Bühne und meint auch die Realschul Shakespeare Company: „Der Theaterspielerei schwören wir nun ab.“ Mit Shakespeares letztem Stück, dem „Sturm“, weht es Prospero von der Bühne. Und mit ihm Rainer Streng, der „aufhören möchte, solange die Leute noch begeistert sind“.
Mit dem Vorhang senkt sich auch über die RSC (vorerst) das Dunkel. Der Rest ist Schweigen.
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