Streuobstwiesen-Projekt in Gaiganz widmet sich Pflege alter Obstbäume
5.10.2020, 06:00 UhrEs ist ein sonniger Herbsttag. Die alten Obstbäume entlang der Feldwege und auf den angrenzenden Wiesen hängen voller Früchte, manche Äste biegen sich bedenklich durch. Die Äpfel und Birnen leuchten in der Sonne. "Ist das nicht herrlich hier", ruft Claudia Munker, die beim Landschaftspflegeverband (LBV) Forchheim das Streuobstwiesen-Projekt betreut. Sie führt heute eine kleine Gruppe Interessierter zu den Obstwiesen von Landwirt Gregor Greif, die in der Nähe von Gaiganz liegen. "Ich bitte Sie, das alles zu genießen. Diese alten Bäume wurden schon von den Großeltern gepflanzt", fordert Munker die Teilnehmer auf.
Schon auf dem Weg erzählt die Biologin einiges über die alten Obstanlagen. Vor rund 100 Jahren war es in der Fränkischen Schweiz üblich, rund um das Dorf einen Grüngürtel mit verschiedensten Obstbäumen anzulegen und auch an Wegrändern wurden gerne Obstbäume gepflanzt, um sich so auf dem Weg zur Schule, zur Arbeit, zum Feld mit Äpfeln, Birnen, Zwetschgen und Walnüssen versorgen zu können. "Das diente der gesunden Ernährung", so Munker.
Meist wurden ganz verschiedene Obstsorten gepflanzt, das hatte mehrere Vorteile: Man hatte über einen längeren Zeitraum frische Früchte, bei Frost ging aufgrund der unterschiedlichen Reifegrade und der unterschiedlichen Lagen nicht alles auf einmal kaputt, manche Apfelsorten wie zum Beispiel der "Welschisner" können und müssen sogar lange gelagert werden.
"Ganz hervorragend"
"Der Apfel schmeckt erst ab März und dann ganz hervorragend. Er ist sogar einer der besten Äpfel", schwärmt Claudia Munker von der alten Sorte, die im Herbst geerntet bis Juni verzehrt werden kann. Auf diese Weise hatten die Menschen hierzulande auch ohne Kühlschrank und Kühlhäuser fast das ganze Jahr über frisches Obst, erzählt sie weiter.
Was nicht gelagert werden konnte, wurde zu Saft und Schnaps verarbeitet, in Gläsern eingeweckt oder in Obstdarren getrocknet und so haltbar gemacht. "Früher hatte fast jedes Dorf eine Obstdarre, in denen Zwetschgen, Äpfel und Birnen langsam getrocknet wurden", weiß Claudia Munker. Sie bleibt vor einem alten Birnbaum stehen, darunter liegen jede Menge kleiner, runder Birnen. Es sind Süßbirnen, die ähnlich wie die Nägelesbirne, auch Hutzelbirne genannt, früher zu Dörrobst verarbeitet wurden, das sogar in benachbarte Städte geliefert worden ist.
Doch als Kühlgeräte Einzug hielten und die ersten Supermärkte in der Region eröffneten, in denen man stets frisches Obst kaufen kann, machten sich immer weniger Obstbauern diese Arbeit – und die alten Obstdarren verfielen oder wurden umfunktioniert, informiert die Biologin weiter. Inzwischen gebe es kaum noch Obstdarren in der Fränkischen Schweiz, bedauert sie.
Die Streuobstwiesen liegen in der Regel an den Berghängen – wie zum Beispiel am Hetzleser Berg. "Das war vorausschauender Bodenschutz, weil die Baumwurzeln die Hänge befestigten", erläutert Munker. Weil hier weder gedüngt, noch Pflanzenschutzmittel verwendet wird und auch tote Obstbäume stehen bleiben dürfen, ist das Gelände wertvoller Lebensraum für zahllose Tier- und Pflanzenarten.
"Viel zu aufwendig"
An so einem alten Baumstumpf gibt es massenhaft Käfer, das wiederum ist Nahrung für Vögel wie den Grünspecht, der ein klassischer Bewohner der Streuobstwiese ist", so die Biologin. Unter den Hochstämmen gedeihen bunte Wiesen, die nur ein bis zweimal im Jahr gemäht werden. Das aber ist auf dem unebenen, zum Teil bergigen Gelände Knochenarbeit. "Zum Mähen brauch ich schon eine Woche, das ist ziemlich mühsam", erzählt Greif.
Ist das Obst reif, nimmt der Nebenerwerbslandwirt, der ansonsten bei Siemens arbeitet, sogar Urlaub, um Äpfel, Birnen und Zwetschgen vom Boden aufzulesen. Ernten in den hohen Bäumen sei viel zu aufwendig, sagt er. Das Obst liefert er an Schnapsbrenner oder an die Obstgenossenschaft, wo es zu Saft verarbeitet wird. Der Lohn dafür sei bescheiden, der Kilopreis sehr niedrig. "Das ist so viel Arbeit, das müsste besser bezahlt werden", findet er. Die Pflege der Streuobstwiesen sei ein "riesen Aufwand". Solange seine Mutter mithelfe, gehe es noch, "aber alleine schaffe ich das nicht", sagt der 52-Jährige. Wenn man den Erhalt der Streuobstwiesen wolle, "dann müsste die Gesellschaft das besser honorieren."
Praktische Hilfe
Hier setzt die Arbeit des Landschaftspflegeverbandes an, der mit dem Projekt die Streuobstwiesen erhalten will. "Die Regierung hat jetzt verstanden, dass man die Bauern finanziell unterstützen muss, wenn sie extensiv bewirtschaften", freut sich Munker. "Der LBV fördert jährlich 200 bis 500 Streuobstpflanzungen, von der Einzelbaumpflanzung bis zur Anlage ganzer Wiesen." Außerdem wurden bereits zwei Obstsammelmaschinen und zwei Seilschüttler angeschafft.
Auch praktische Hilfe gibt es. Bei Gregor Greif hat heuer zum Beispiel ein Profi die alten Obstbäume fachgerecht beschnitten. "Das ist wichtig, damit die Bäume möglichst lange leben und noch was tragen", erklärt Munker und Greif bestätigt: "Ja, heuer tragen die Bäume viel besser und das Obst ist viel schöner." Besonders die Birnbäume seien heuer eine wahre Pracht, sagt Munker und deutet auf einen gut zehn Meter hohen Birnbaum, der voller Pastoren-Birnen hängt. "Ist das nicht wundervoll, wie gemalt", ist sie ganz begeistert.
Anders als anderswo nichts erfroren
Heuer tragen die Birnbäume so gut wie schon lange nicht mehr: Und es gibt keinen Rost, die Blätter und Birnen sind rundum gesund. Auch die Apfelernte sei dieses Jahr hervorragend, sagt Greif. Anders als in anderen Gebieten sei in den geschützten Lagen am Hetzleser Berg im Mai nichts erfroren. Dennoch kämpft der Obstbauer mit zwei neuen Plagen: "Die Misteln nehmen stark zu, die machen immer mehr alte Obstbäume kaputt." Außerdem verbreite sich die asiatische Essigfliege enorm, die reife Früchte befällt und ungenießbar macht. "Das Obst kann man nicht mal mehr für Schnaps hernehmen."
Die Tour über die Streuobstwiesen endet unter einem alten Birnbaum, dessen gelbe Birnen wunderbar im weichen Sonnenlicht leuchten, ihr Duft liegt über der Wiese. Jedem in der Gruppe ist nach dem 1,5-stündigen Rundgang klar: So ein Naturschatz muss erhalten bleiben.
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