„Zu Hause fällt mir die Decke auf den Kopf“
26.12.2010, 16:31 Uhr
Karl Winkler (57), und sein Nachbar Stefan Schönfeld (71) kommen beide aus dem Forchheimer Norden und sind beide alleinstehend. Sie nehmen das Angebot des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) gerne an, um den Heiligabend nicht alleine zu Hause zu verbringen.
Alle drei Jahre bietet der ASB die Aktion an. Die Einladungen wurden über die Arbeitsagentur und über das Sozialhilfeamt verschickt. Dieses Jahr finden sich in den Räumen des ASB 25 bedürftige oder alleinstehende Personen ein, darunter auch zwei Familien mit Kindern. Sechs Helfer haben für sie Gulaschsuppe gekocht, Glühwein und Tee zubereitet und die Tische liebevoll gedeckt.
„Es ist die Einsamkeit, gegen die man an solchen Festen ankämpft“, erzählt Karl Winkler. Gerade an solchen Tagen schwelgt er in Erinnerungen und lässt sein Leben Revue passieren. Er würde einiges anders machen, wenn er nochmal jung wäre, erzählt der 57-Jährige, der bei seinem Onkel und seiner Tante in Buttenheim – gleich neben dem Haus von Levis Strauß aufgewachsen ist. Seine Eltern haben über viele Jahre den Gasthof Beckenschneider in Hausen geführt; hatten wenig Zeit für ihren Sohn. „Ich musste mich – bis auf die guten Ratschläge von Onkel und Tante weitgehend selbst durchschlagen“, so Winkler.
Nach der Schule lernte er Kfz-Mechaniker. Nachdem er das erste Mal durch die Prüfung fiel, verließ ihn der Mut, er stand ohne Abschluss da. Der wohl größte Fehler seines Lebens, wie er meint. Fortan schlug er sich mit Gelegenheitsjobs bei verschiedenen Transportunternehmen durch, arbeitete als Bierfahrer in einer Brauerei, einige Jahre war er auch arbeitslos.
Seit 1994 lebt Karl Winkler in Forchheim. Wie gerne hätte er eine Frau, die auf ihn wartet, wenn er nach Hause kommt, mit der er gemeinsam etwas unternehmen könnte. Verheiratet war er jedoch nie, hatte nie eine richtige Beziehung.
Er, der seit Februar 2010 – auch wegen seiner 60-prozentigen Behinderung — frühzeitig in Rente gehen durfte, ist in Forchheim kein Unbekannter. Er hilft als Mitglied bei den Wanderfreunden mit, ist im „Spiel-Mit-Verein“ dabei, gehört dem Fanclub der SpVgg Jahn Forchheim an und ist wohl der größte Fan der VfB Handballer. Alles Ablenkungen gegen die Einsamkeit, wie er erzählt.
Was er anders machen würde? Auf jeden Fall würde er mehr „powern“, sich bietende Chancen nutzen. Heute bekommt Winkler eine Rente von 780 Euro, davon gehen 200 Euro Miete, 300 Euro Heizung und Strom ab. Es bleiben 280 Euro für den Lebensunterhalt übrig, nicht mal ganz zehn Euro pro Tag.
Es geht um die Ansprache
Karl ist das erste Mal bei der kleinen ASB-Feier dabei. Er ist glücklich das Weihnachtsfest nicht alleine verbringen zu müssen. Stefan Schönfeld war vor drei Jahren schon mal hier. Auch er genießt die Gemeinsamkeit. Der 71-Jährige ist zu 90 Prozent schwerstbehindert und hat eine Herztätigkeit von nur noch 40 Prozent. „Letztes Jahr war ich bereits klinisch tot“, erzählt der gelernte Großhandelskaufmann. „Die Glieder wollen nimmer so richtig, der Geist ist aber noch voll da“, so Schönfeld.
„Mir geht es hier nicht um das Essen, sondern um die Ansprache“, so der Rentner. „Zu Hause fällt mir bei solchen Festen immer die Decke auf den Kopf.“ Leider gebe es so eine Aktion nur alle drei Jahre, so Schönfeld.
„Ursprünglich war angedacht, dass jedes Jahr ein anderer Wohlfahrtsverband diese Aktion federführend begleitet“, erzählt ASB-Chef Wolfgang Caps, der die Veranstaltung zusammen mit seiner Lebensgefährtin Margit Bartsch organisiert. Er würde sich wünschen, dass sich auch andere Organisationen hier engagieren würden. „Der Bedarf ist, wie man sieht, da“.