Auf Kundenfang fürs Branchenbuch
18.02.2011, 09:00 Uhr
Nein, von Betrug kann man im Fall der Firma Neue Branchenbuch AG keinesfalls reden. Dennoch gehen Menschen wie Erika Fliehr, die einen Frisörsalon in Zirndorf betreibt, anwaltlich gegen das Unternehmen vor. Warum?
Fliehr hat einen Vertrag der Neuen Branchenbuch AG unterschrieben. Darauf prangte – gelb unterlegt – die Bezeichnung Branchenbuch Zirndorf. „Ich dachte, ich komme damit in die Gelben Seiten“, sagt sie. Außerdem übersah sie den Preis, der sich in einem vergleichsweise klein gedruckten Fließtext versteckte.
Jetzt ärgert sie sich schwarz, dass sie nicht genau hingesehen hat. Eigentlich müsste sie nun zwei Jahresraten in Höhe von 1068 Euro dafür bezahlen, dass ihr Geschäft im Internet auf der Seite www.branchenbuch.ag gelistet ist. „Aber dieser Preis steht doch in keinem Verhältnis zum Nutzen, den ich mit meinem kleinen Laden davon habe“, klagt Fliehr. Nach einem ergebnislosen Anruf bei der Neuen Branchenbuch AG hat sie sich nun einen Anwalt genommen.
Zu den Rechtsanwälten, die sich auf diese Fälle spezialisiert haben, zählt Wolf-Dieter Czap aus dem oberfränkischen Hirschaid. Ihm zufolge gibt es in Deutschland mehrere Hundert Firmen, die „Gewerbetreibenden Anzeigenverträge durch irreführende Gestaltung schmackhaft machen wollen“. Er selbst vertrete derzeit jährlich fast 400 Betroffene. Die Verträge enthalten zwar „rein formal“ einen Hinweis auf die Kosten, so Czap, doch der werde oft überlesen, da er meist „an unerwarteten Stellen“ platziert sei. Das Problem: Im Gegensatz zu Privatpersonen haben Gewerbetreibende kein 14-tägiges Widerrufsrecht.
Arglistige Täuschung?
Czap wirft Firmen wie der Neuen Branchenbuch AG „arglistige Täuschung“ vor. Die Verträge, die meist per Post ins Haus flattern, seien keine „normalen Werbemaßnahmen“. Czap ist sich sicher, dass die Neue Branchenbuch AG darauf baut, „dass ein gewisser Anteil der Adressaten den Kostenhinweis überliest und das Schreiben unterzeichnet“.
Zwar haben nach seinen Worten viele Amts- bzw. Landgerichte die Wirksamkeit der Verträge mit dem Hinweis bestätigt, die Betroffenen hätten die Anschreiben eben genau durchlesen müssen. Allerdings sehe eine zunehmende Zahl an Richtern, zuletzt im Dezember am Oberlandesgericht Frankfurt, den Tatbestand der arglistigen Täuschung erfüllt – und dann spielt es laut Czap keine Rolle, ob der Unterzeichner „den Vertragsabschluss durch Unachtsamkeit oder Leichtgläubigkeit begünstigt“ habe.
Dass Erika Fliehr kein Einzelfall ist, bestätigt auch Sonja Henn von der Handwerkskammer Mittelfranken. „Bei uns suchen immer wieder Betroffene Rat“, sagt die Juristin. Die Neue Branchenbuch AG sei dabei nur eines von vielen Adressverzeichnissen. Einen allgemeingültigen Tipp für die Geschäftsleute hat sie nicht parat. „Das kommt auf den Einzelfall an.“
"Das ist blöd gelaufen"
Auf FN-Anfrage räumte ein Sprecher der Neuen Branchenbuch AG ein, dass der Preis nicht deutlich genug gekennzeichnet ist: „Das ist blöd gelaufen, da müssen wir künftig nachbessern.“ Von arglistiger Täuschung wollte er jedoch nichts wissen. Dass es in Verbraucherforen im Internet zig Beschwerden über seine Firma gibt, geht nach seinen Worten auf eine „kleine Gruppe von Forenbetreibern“ zurück, die eine Art Privatfehde mit dem Unternehmen ausfechten wollten. Ob Erika Fliehr die Zahlungen tatsächlich leisten muss, ließ er offen. „Wir haben schon viele wieder aus Verträgen entlassen“, sagt er, „aber das kommt auf den Einzelfall an.“
Anwalt Czap glaubt nicht daran, dass es sich bei dem kleingedruckten Preis um ein Versehen handelt: „In Anbetracht der bisherigen Tätigkeit dieser Firma und den Vorläuferformularen halte ich diese Aussage für wenig überzeugend.“