Belebtheit und Beseeltheit in hundertjährigen Bildern
01.07.2008, 00:00 Uhr
«Ballets Blancs», Herzstücke des klassischen «weißen» Balletts, standen vor der Pause im Mittelpunkt. Heike Guha und Olga Kalinskaja zeichnen für die nahezu originalgetreue Einstudierung historischer Choreografien verantwortlich. Belebtheit und Beseeltheit soll jede einzelne der Frauengestalten in Mikhail Fokines Choreografie von «Les Sylphides» aus dem Jahr 1908 ausdrücken, und so zeigen die einzelnen Sätze des Stimmungsbildes zu Musik von Chopin durchaus unterschiedliche Seiten der feengleichen Gestalten, die den schwärmerischen jungen Mann (Klaus Bitto) umtanzen.
Dem gemessenen, auf ruhige Ästhetik angelegten Nocturne folgt mit einem lebhaften Walzer ein bewegtes Solo von Teresa Matsche, während Ines Nieder sich in zarten, expressiven Bewegungen ergeht.
Voller Ausdruckskraft auch Jules Perrots «Le Pas de Quatre», in dem Christine Kerr, Tanja Brunner, Conny Engler und Allie Goraus das Publikum begeistern, ehe die gesamte Truppe sich noch mit dem zweiten «Schwanensee»-Akt präsentiert.
Nach der Pause brachten die nun in Sporthosen und in modischen Miniröcken auftretenden jungen Talente unter dem Stichwort «Dance in progress» zeitgenössischen Tanz auf die Bühne. Hier gelang das seltene Kunststück, einen Abend zu gestalten, in dem moderner Ausdruckstanz nicht gegen klassische Ballettästhetik ausgespielt wurde, sondern zeitgenössische und traditionelle Formen des Tanzes gleichermaßen faszinierend und fesselnd präsentiert wurden.
«Achtzehn» etwa ist eine programmatische Studie der Jugend, die hier mit den Händen in den Hosentaschen aufmarschiert, trotzig, traurig, überrascht, nachdenklich durcheinanderläuft. Junge Menschen probieren ihren Körper und ihre Identität aus, Hände werden zu schmerzenden, zuckenden, unbekannten Fremdkörpern.
Lustig geht es dagegen in «No Smoking» zu, wo elegante Frauenkörper unter schrillen Perücken das Laster Rauchen zelebrieren. Wermutstropfen ist allerdings die Musik vom Band, die manchmal etwas scheppert und dröhnt - und die Tatsache, dass sich verhältnismäßig wenig Publikum eingefunden hatte an einem Abend, der wirklich Anerkennung verdiente. SIGRUN ARENZ