Die Entdeckung eines toten Malers
19.10.2009, 00:00 Uhr
Unter dem Motto «Gastspiel» öffneten 25 Ateliers in der ganzen Stadt ihre Pforten, wobei viele beteiligte Künstler die Arbeiten eines Kollegen mitvorstellten. Thomas Mohi zum Beispiel wagte sich an eine Symbiose aus bildender Kunst und Musik. Er lud den Posaunisten Ralf Bauer ein, der sich mit dem Thema «Faulheit und Leidenschaft» befasste und dazu eine Komposition schuf. Mohi wiederum hatte sich diese Klänge beim Malen angehört.
Das Ergebnis wirkt völlig entspannt, schön schräg und bunt. Für die beiden ist klar: «Leidenschaft braucht Zeit, da muss man schon faul sein. Wer diese Gemütszustände miteinander verbindet, lebt glücklich». Zurück also zu echten, freien Kreativen, die sich nicht dem Kunstmarkt unterwerfen. Was Bauer sein freejazziger Sound, das ist Mohi seine abstrakte Malerei, die Farbe und Form gleichermaßen befreit.
Richtig weltstädtisch kommt die Friedrichstraße 17 daher, in der sich sieben Künstler versammelten. Gast ist Harald Melrose Turek, ein Deutscher, der in Glasgow lebt und dessen surreale Fotografien wunderbar mit einem Fürth-Bild harmonierten, das Axel Voss in comichaftem Stil entwarf. Eine Etage höher schließt sich Nadja Vogel mit Aufnahmen an, die Wolkenkratzern, Beton und Parkplätzen lyrische Seiten abgewinnen.
Andreas Klöpsch bemalt Motorhauben mit Geweihen und frönt auch sonst der Airbrush-Technik. Alexander von Prümmer bleibt mit Installationen seinem Thema, der Überwachung im öffentlichen Raum, treu.
Lichtboxen und Betonbauten
Ums Eck zeigt Inge Gutbrod ihre transparenten Lichtboxen und Oliver Boberg stellt mit Akribie nach, was man sonst oft übersieht: Betonbauten, Hinterhöfe und Hausfassaden. Was auf den ersten Blick wie trostlos realistische Fotografie wirkt, ist bei ihm raffiniert inszeniert. Ein Künstler-Haus, das WG-Charme versprüht, junge Leute, die Urbanität in die Kleeblattstadt bringen. Ebenso quirlig geht es in der Bogenstraße 7 zu, wo unter Ulrike Irrgangs Ägide eine «Künstler-Herberge» mit Ruhezonen, leckerem Essen und Feuertonne im Garten entstanden ist. Angesichts frostiger Temperaturen wird sie umlagert, vor allem zu späterer Stunde sammeln sich die umherstreifenden Kunstfreunde hier. Sie sehen Richard Merzbachers Eidechsen- und Schlangenobjekte, Maria Milans Filz- und Stoffarbeiten, Axel Steinbergs «Treibgut» - Holzskulpturen aus Natur-Fundstücken - sowie Frauke Delatrons zarte Aquarelle. In einem Kuschelraum voller Kissen und Kerzen zeigen die «Moviemidgets» Kurzfilme zwischen
Monty Python und Charly Chaplin.
Und dann wäre da noch die «Galerie in der Promenade», die aus der Reihe fällt, weil sie eine Retrospektive bietet. Bernhard Nowak (1904 bis 1985) liebte das Pikante, zeichnete Szenen aus dem Varieté- und Rotlicht-Milieu, wandte sich aber auch engagiert gegen den Nationalsozialismus und karikierte ihn mit spitzer Feder. Hier blitzt etwas von George Grosz auf, während seine leichtbestrumpften Damen an Heinrich Manns «Professor Unrat» erinnern. So avanciert ein Toter zur Entdeckung dieser Ateliertage. ANNE PETERS