Die Flucht aus einem „korrupten System“
28.06.2012, 09:00 Uhr
Da steht sie, die Frau, um die sich alles dreht. Zierlich, mit langen, braunen Haaren und strahlenden Augen erzählt sie zur Eröffnung der Schülerausstellung „Für dieses Visum gaben wir unser Leben“ noch einmal ihre Geschichte: Eine Geschichte über die Flucht in die Freiheit von Rumänen in den bewegenden Zeiten von 1989/1990.
Die Aula ist an diesem warmen Sommerabend bis auf den letzten Platz gefüllt. Eine eindringliche Stille nimmt den Raum ein. Wie Aurelia Gillich, die heute im Elternbeirat der Mittelschule aktiv ist, ihre Geschichte erzählt, was diese Frau im Alter von nur 17 Jahren zusammen mit ihren beiden Kindern bei ihrer Flucht alles durchleben musste, lässt den Zuhörern den Atem stocken. „Wir wollten nach Deutschland kommen, weil uns klar war, dass wir unseren Kindern hier eine bessere Zukunft geben können“, sagt die 41-Jährige. Sie hat dafür ihr Leben riskiert.
Die Idee, Aurelia Gillichs Lebensgeschichte in den Fokus zu rücken, hatte Schulleiter Udo Sponsel, der die 7 G in Geschichte unterrichtet. „Ich wusste, dass Frau Gillich aus Rumänien nach Deutschland gekommen ist und habe sie gefragt, ob sie uns das nicht erzählen möchte“, erinnert er sich. Von der Wucht der Lebensgeschichte und vom „fesselnden Erzähltalent“, der lebensbejahenden Wahl-Langenzennerin konnte er damals nichts wissen. Sponsel selbst erinnert sich an den Sommer 1989 „als eine rosige Zeit“ in seinem Leben. Nur wenige tausend Kilometer trennen Wohlstand und gesichertes Leben von Hunger und Armut. „Wir waren zuerst skeptisch, was da auf uns zukommt“, gibt Klassensprecher Lars Körber offen zu. Doch Aurelia Gillich, die selbst eine Tochter an der Mittelschule hat, ging in die Klasse und erzählte von spannenden Tagen. „Sonst sind wir laut, da waren wir ganz still und hörten zu“, erinnert sich die 14-jährige Damaris Heller.
Für die Zukunft gekämpft
In Gruppenreferaten erarbeiten sie Gillichs Geschichte und bereiten die Ausstellung vor. „So ein Unterricht ist nicht langweilig, das macht Spaß“, findet der Siebtklässler Michael-Dominik Claus und ist sichtlich stolz. Aurelia Gillich geht es dabei um mehr, als nur um ihre eigene Lebensgeschichte. Mit Mut und eisernem Willen hat sie zusammen mit ihrem Mann für eine Zukunft ihrer Kinder in Deutschland gekämpft.
„Die Gesellschaft in Rumänien ist korrupt. Hier in Deutschland habe ich, die nichts hatte, Erfolg und deshalb bin ich glücklich.“ Eines ist ihr besonders wichtig und das gibt sie den Kindern an diesem Abend mit auf den Weg „Wenn man ein Ziel vor Augen hat, gibt es hier in Deutschland eine Gesellschaft, in der man etwas erreichen kann“.
Die Ausstellung „Für dieses Visum gaben wir unser Leben“ — Aurelia Gillichs Flucht in die Freiheit von Rumänien nach Deutschland 1989/1990 ist noch bis zum 29. Juni in der Aula der Mittelschule Langenzenn zu sehen. Die Ausstellung ist öffentlich und zu den üblichen Schulzeiten zugänglich. Kontakt: Schulleiter Udo Sponsel Telefon (09101)70345
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