Die Null-Null mit Glitzer führt zum großen Sammelglück
6.7.2014, 16:00 UhrPause in der Grundschule am Kirchenplatz. Irgendeine Pause? Absolut nicht. Kleine Jungs drängen sich in das Klassenzimmer der 2 b. Sie haben Alben unter den Arm geklemmt, Plastikboxen mit Fußballbildern in der Hand. „Einmal in der Woche dürfen bei uns Fußballbilder getauscht werden“, sagt Schulleiterin Claudia Meier-Niklis.
Es ist eine ernsthafte Angelegenheit, die da zwischen Butterbrot und Apfelschnitz verhandelt wird. Inzwischen hat sich jeder einen Platz gesucht und seine Schätze auf den Tisch gelegt. „Der Lukas blättert jetzt meine Karten durch und schaut, was ihm fehlt“, erklärt Fritz (7). Yasin (7) überlegt: „Dem Neymar sein Torwart wäre gut . . .“ Er selbst spielt Fußball „am liebsten mit dem Papa gegen die Großen“, während der siebenjährige Jamal beim MTV Stadeln trainiert: „Sturm ist toll!“
Hochkonzentriert werden Karten geprüft, Gesuchtes wird entdeckt und wechselt den Besitzer. Die Tauschregel heißt eins zu eins, das hat Claudia Meier-Niklis mit den Kindern ausgemacht. Doch längst nicht alle Sticker sind gleich begehrt. „Alle wollen die Karte Null-Null, die im Album ganz vorne hingehört“, weiß Anthony (7). Das ersehnte Stück glitzert und zeigt einen eleganten Fallrückzieher. „Ich habe die zuhause, das ist meine wertvollste“, macht Jaden (7) fachmännisch klar. Baran (8) hat gehört, dass manche „sogar 20 andere Karten für die Doppelnull bieten“.
Eine wichtige Frage beschäftigt sich selbstredend damit, wie viele Sticker im Album fehlen. „28 Stück noch, dann bin ich fertig“, rechnet David (9) vor. Das Pausenende naht. Der siebenjährige Timo hat sein Heft wieder fest an sich gedrückt. „Das schaue ich mir daheim ganz oft an.“
Das Fußballfest in Brasilien ist allerdings auch im Schulalltag ein Thema. Meier-Niklis, zur Feier des Tages mit roter Hose, schwarzem T-Shirt und goldener Ansteckblume erschienen, weckt Vorfreude: „Die wichtigen Tore schauen wir uns am Morgen nach dem Spiel rasch gemeinsam an.“
Fleißig gespielt wird auch in der Pestalozzischule. „Egal, wo man im Haus ist, überall hört man im Moment, dass gebatscht wird“, lacht Schulleiter Thomas Bauer. Gebatscht? Paul (13) und Shane (14) helfen weiter. „Wir sammeln Fußballkarten nicht nur, sondern zocken damit auch.“ Aha. „Da legt man einen Stapel Karten auf eine ganz glatte Fläche und dann haut man mit der flachen Hand kräftig direkt daneben. Wenn sich welche von den Stickern umdrehen, hat man gewonnen.“
Auf dem Pausenhof laufen gerade mehrere Turniere. Idealer Untergrund: die Treppenstufen aus Stein. Längst sind die Regeln verfeinert worden. Paul und Shane erklären: „Wenn die Karte ganz glatt ist, nennen wir das Minus. Ist sie ein bisschen gewölbt, heißt das Plus. Wenn sie schon richtig stark gebogen ist, hat man eine Big Mama.“ Und das ist gut. Denn dann, sagen die jungen Experten, geht der Zugwind, den die klatschende Hand erzeugt, mühelos unter die Karte und dreht sie.
Aber wo sind eigentlich die Mädchen beim großen Fußballkartenthema? Scheint fast, als sei das eine Domäne der Jungs. Stimmt aber nicht ganz. „Ich spiele gern mit“, sagt Janina (13). „Aber ich bin nicht so gut wie die Jungs. Meine Karten habe ich jetzt allerdings fast alle meiner Oma geschenkt, die spielt gerne mit ihrer kleinen Enkelin.“ Auch Freundin Chrissa (13) macht mit beim Sticker- Spiel mit und hat gezählt: „Ich habe 130 Karten.“
Der 14-jährige Murat freut sich, denn sein Album ist schon perfekt. Ein Glücksgefühl, das Erinnerungen weckt. Sven Wößner, stellvertretender Pesta-Schulleiter, verrät: „Mein erstes Heft hatte ich 1978 zur WM, als eine Tüte mit drei Bildern noch zehn Pfennig gekostet hat.“ Karl-Heinz Rummenigge und Sepp Maier hießen damals die Helden, deren Konterfeis zum Sammlerglück führten.
Der Unterricht geht weiter. Die Kartenstapel verschwinden in den Hosentaschen, aber das Gebatsche verstummt nicht lange. „Kaum zu glauben, aber die üben sogar ohne Karten. Wenn man in den Unterricht kommt, trainieren da einige“, staunt Thomas Bauer. Shane und Paul haben Verständnis. „Klar, es gibt ja viele Varianten. Den Schmetterlingsschlag, zum Beispiel, den Treppen- und den Reingehschlag, den Flic-Flac . . .“
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