Die Wintergerste ist mickrig wie noch nie
19.5.2020, 10:51 UhrDie ausgerissene Pflanze in den Händen von Peter Köninger raschelt fast wie Stroh. "Eigentlich müsste das alles noch grün sein", sagt der Fürther Kreisobmann im Bayerischen Bauernverband (BBV), als er mit Jochen Loy von der BBV-Geschäftsstelle in Nürnberg den ausgedünnten Wintergerste-Bestand auf einem seiner Acker präsentiert.
Zuerst haben die Nährstoffe gefehlt, dann das Wasser. Normalerweise bildet ein Samenkorn drei Hauptertragstriebe, doch die Gerste hat ihr Wachstum auf einen konzentriert. Diese Ähre ist mit fünf bis sechs Kornreihen kümmerlich. "Normalerweise sind das doppelt so viele", sagt Köninger.
Den Februar über bis Anfang März war es zu nass, um in die Felder zu fahren, dann folgte wochenlange Trockenheit. "Wir konnten die Pflanzen nicht rechtzeitig mit Nährstoff versorgen. Als wir dann düngen konnten, hat das Wasser gefehlt, um den Stickstoff zu lösen, damit er an die Wurzeln gelangt." Köninger sieht in der fürs Pflanzenwachstum ungünstigen Witterung dieses Jahres "eine Situation vorweggenommen, die ab nächstem Jahr die Regel sein wird". Dann gilt die Ende April vom Bundesrat verabschiedete Verschärfung der Düngeverordnung. "Auf solch extreme Wetterlagen wie heuer können wir dann nicht mehr reagieren."
Die Herbstdüngung ist bereits seit der Fassung von 2017 weitgehend verboten, das heißt, nach der Ernte darf kein Dünger mehr ausgebracht werden. "Weil wir bisher auch nur nach Bedarf düngten, bleibt für die nachfolgende Pflanze kein Stickstoff." Wintergerste wird im Herbst ausgesät. Dann kommt die Pflanze schon "hungrig" aus der Winterruhe.
Auch die nach der Ernte angesäten Zwischenfrüchte leiden unter dem Mangel. "Das ist pflanzenbautechnisch Blödsinn", sagen die BBV-Funktionäre. Verloren sei der positive Effekt auf Humusbildung und Erosionsschutz, den man mit einer Zwischenpflanzung verfolgt. Späte Nachtfröste, die den Boden oberflächlich erstarren ließen und den Landwirten ermöglichten, die Äcker frühzeitig zu befahren, ohne stecken zu bleiben, nützen ihnen dann auch nichts mehr. Denn ab nächstem Jahr darf auf über Nacht gefrorenem Boden nicht mehr gedüngt werden. Bisher sei es gute fachliche Praxis gewesen, das Wintergetreide so bereits frühzeitig anzudüngen, mit der in der Sonne tauenden Bodenfeuchte wurde der Nährstoff dann für die Pflanze verfügbar.
Woher das Futter nehmen?
"Ich bekomme jetzt schon Anrufe von Kollegen, die nicht mehr wissen, wie sie ihre Futtergrundlage für ihre Tiere herbringen sollen, geschweige denn, wie sie noch wirtschaftlich arbeiten können", berichtet Köninger. Hinzu kommt, dass nahezu der gesamte Landkreis Fürth als rotes Gebiet ausgewiesen ist, in dem der Schwellenwert von 50 Milligramm Stickstoff pro Liter Grundwasser überschritten ist. In diesen Regionen ist die Stickstoffgabe um 20 Prozent unter dem eigentlichen Bedarf der Pflanze gedeckelt. Maßgeblich sind die Erträge der Vorjahre.
"Damit bewegen wir uns in einer Spirale abwärts, die Böden werden ausgelaugt, die Erträge sinken", prophezeit Köninger. Das Zeitfenster, in dem Düngen erlaubt ist, wird immer enger: "Was wir an Gülle bisher bis in den Herbst ausbringen konnten, müssen wir nun in kurzer Zeit aufs Feld fahren. Doch zu viel auf einmal kann die Pflanze auch nicht aufnehmen. Das ist kontraproduktiv", so Köninger.
Die Auflagen aus Brüssel würden geologische Unterschiede der Regionen nicht berücksichtigen. "Aber man kann nicht ganz Deutschland über einen Kamm scheren." Der BBV-Kreisobmann fordert ein Projektgebiet im Landkreis Fürth, für das Landwirte und Behörden gemeinsam einen Maßnahmen-Katalog zum Wasserschutz entwickeln. Dieser soll regionale Besonderheiten und den Sachverstand der hiesigen Landwirte berücksichtigen. "Da kämen wir im Wasserschutz viel weiter als mit pauschalen Vorgaben der EU." Köninger weiß aus den Gesprächen mit seinen Kollegen, dass die Landwirte Verständnis für den Wasserschutz haben und dieser Verantwortung gerecht werden wollen. "Trotzdem wollen wir noch wirtschaftlich arbeiten können."
Nur wenig Niederschlag
"Wirtschaftlicher Ackerbau ist in unserer Region sowieso schon eine Herausforderung", so Köninger. Der Fürther Landkreis gehört zu den niederschlagsärmsten Gegenden Bayerns. Große Betriebe mögen die zusätzlichen Auflagen wegstecken können, "der familiengeführte Betrieb mit im Schnitt 40 Hektar sicher nicht". Was Wintergerste angeht, ist für ihn bereits klar, dass er sie nicht mehr anbaut. Statt im Schnitt 70 Doppelzentner auf dem Hektar rechnet er "vielleicht noch mit 30, da lohnt sich das Dreschen nicht, das ist ein Totalausfall".
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