Ein FDP-Urgestein erzählt aus 60 Jahren Politik

15.3.2017, 09:00 Uhr
Ein FDP-Urgestein erzählt aus 60 Jahren Politik

© Foto: Petra Fiedler

Wer Rösler begegnet, der trifft auf das, was man landläufig als einen "feinen, alten Herrn" bezeichnet. Der Wollpullover mit V-Ausschnitt, der unter dem Sakko zu erkennen ist, erinnert an einen seiner berühmten Parteigenossen: Hans-Dietrich Genscher. Und tatsächlich wird der 88-Jährige von seinen Nachbarn und Freunden schon mal mit dessen Spitznamen "Genschman" betitelt. Darüber kann er lachen.

Hans Helmut Rösler hat Furchtbares erlebt und überstanden und viel Fruchtbares für die Demokratie dieses Land getan. Der Start aber war bitter. Die Flucht aus dem sudetendeutschen Aussig ist Rösler nur eine Randnotiz wert. Über Dresden und den Besuch der Handelsakademie kam er ins thüringsche Eisenberg, begann seine Lehre und erlebte die Willkür der sowjetischen Besatzungsmacht. Sie hat ihn politisiert.

Mutiger 17-Jähriger

Denn 1946 protestierten hier junge Liberale gegen die kommunistischen Mai-Kundgebungen. Unter anderem sprühten sie das Parteikürzel der LDP (Liberaldemokratische Partei) auf die Gehsteige. Es folgte eine Verhaftungswelle. Der damals knapp 17-jährige Rösler war alarmiert. "Ich ging geradewegs in die Geschäftsstelle", erzählt Rösler, "und bot mich an, die Verhafteten zu ersetzen." Als ehrenamtlicher Jugendwart und Mitglied des LDP-Jugendbeirates pflegte er Kontakte in den Westen. Bald war sein Tun den Machthabern ein Dorn im Auge.

Wegen dieser Kontakte, der Verteilung westlichen Schriftgutes und des aktiven Widerstandes gegen die Machtansprüche der SED wurde er am 7. September 1948 vom sowjetischen Geheimdienst verhaftet. Nur in "Ermangelung der Todesstrafe" sei er zu 25 Jahren Haft verurteilt worden, erzählt Rösler, ergänzend deckt er den historischen Hintergrund auf: "Stalin hatte für kurze Zeit die Todesstrafe ausgesetzt. Das war mein Glück."

Er verlor damals manchen politischen Gesinnungsgenossen und Freund. Über den Alltag in den Gefängnissen von Torgau und Bautzen erzählt er nicht viel. Aber Rösler gewinnt selbst dieser Zeit Positives ab: "Mit mir waren ja Professoren, Schriftsteller, Intellektuelle und Gläubige inhaftiert, lauter hoch interessante und meist sehr integere Menschen."

Hans Helmut Rösler kommt auf Betreiben von Thomas Dehler, er soll später zu einem seiner großen Vorbilder werden, und Hans-Dietrich Genscher nach achteinhalb Jahren am 8. März 1957 frei. Er wird im Westen umgehend FDP-Mitglied

"In Mittelfranken steckten die Jungdemokraten in einer tiefen Krise. Das politische Wirken lag darnieder", erinnert er sich. Er leistete daher Aufbauarbeit. Bald war er Landesvorsitzender der Deutschen Jungdemokraten. Hildegard Hamm-Brücher managte er 1970 den Wahlkampf so erfolgreich, dass es die FDP wieder in den bayerischen Landtag schaffte. "Die Hildegard, die haben wir alle verehrt", gesteht Rösler nach fast 50 Jahren. Sie sei überaus charismatisch und einnehmend gewesen, wenn auch hart in der Sache.

Und Thomas Dehler? "Der hat mich als junger Spund mitgerissen", erzählt Rösler von den Begegnungen mit dem großen Liberalen der Nachkriegszeit. Kämpferisch sei er gewesen und habe die Auseinandersetzung mit Konrad Adenauer gesucht.

Am Ende seiner politischen Laufbahn ist Rösler nicht nur Geschäftsführer der FDP Mittelfrankens und stellvertretender Landesvorsitzender, sondern er formt auch die Partei und ihre Inhalte. In den Programmen hinterließ er seine Spuren. Kein Wunder also, dass er erst mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande und dann dem 1. Klasse geehrt wurde.

"Wir haben viel geschafft", formuliert er rückblickend. Sich selbst bezeichnet er als sozialliberal im Sinne von Thomas Dehler und nationalliberal wie Friedrich Naumann. Beim Stichwort sozialliberal kann er auch heute nicht an sich halten. "Die Schere zwischen Arm und Reich klafft viel zu weit auseinander", beklagt er. Seine Vorstellung von einem Leben in Würde: "Jeder muss ein ausreichendes Einkommen haben."

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