Ein Stall für Kinder, Kollegen und Chefs

13.08.2011, 13:00 Uhr
Ein Stall für Kinder, Kollegen und Chefs

© Scherer

Erlebnisbauernhöfe — eigentlich ist das gar keine neue Erfindung. Manuela Herzig erinnert sich noch gut daran, wie sie als Kind die unendlichen Spielmöglichkeiten genoss, wenn sie den Hof der Oma und den des Nachbarn besuchte. „Es gab Holz, aus dem haben wir Hütten gebaut, es gab so viel Freiraum und die Tiere. Es war immer was los.“ Gleichzeitig waren da immer Rückzugsmöglichkeiten, erzählt sie, „man konnte in die Beobachterrolle schlüpfen“.

Der Bauernhof als Kinderparadies — so hat sie es erlebt, „und so möchte ich es weitergeben“. An Kinder, die nicht mehr einfach zum Bauern von nebenan spazieren können, weil die Welt eine andere geworden ist. In dieser Welt versuchen Erlebnisbäuerinnen, die Lücke zu schließen — und sich ein Zusatzeinkommen zu schaffen.

Manuela Herzig ist eine von ihnen. In Seminaren hat sie die nötige Qualifizierung erworben und sich der bayernweiten Initiative „Lernort Bauernhof“ angeschlossen. Etwa 60 Betriebe gehören dazu. Der Hof der Herzigs bei Wilhermsdorf, mit seinen 60 Hektar Ackerland, zehn Hektar Wiese, den Milchkühen, Kälbern, Ziegen, Gänsen, Hühnern und Katzen, hat sich seitdem zu einem „Lern- und Erlebnishof“ gewandelt; es gibt dort jetzt auch einen Strohboden mit Schwingseilen, ein „Getreidebad“, in dem Kinder in unzähligen Körnern spielen können, und eine Kuh-Attrappe mit Gummi-Euter, an der Jungen und Mädchen das Melken üben können.

Immer neue Besucher begrüßen Manuela Herzig, ihr Mann Wolfgang und ihre drei Kinder: Kindergarten- und Mutter-Kind-Gruppen, Schulklassen und Kinder, die ihren Kindergeburtstag feiern. Mit allen Sinnen und ganz anders als in der Schule sollen sie lernen, was einen landwirtschaftlichen Betrieb ausmacht. „Vielleicht kaufen sie später auch bewusster ein“, hofft Manuela Herzig.

Die gelernte Erzieherin sieht Kinder, für die es ein Abenteuer ist, barfuß zu laufen oder sich schmutzig zu machen, die überrascht sind, dass aus dem Euter warme Milch kommt. Manchmal bekommen die Besucher die Geburt eines Kälbchens mit, und auch übers Schlachten wird gesprochen. „Das gehört dazu“, sagt Herzig, schließlich sei der Hof „kein Spielbauernhof. Wir leben davon.“

Die Leute zahlen dafür

In Zeiten, in denen viele Landwirte nach weiteren Erwerbsmöglichkeiten suchen, ist das Erlebnis-Angebot eine zweite Einnahmequelle: Ein dreistündiger Kindergeburtstag mit Abendessen bringt 120 Euro. Die Angebote werden sehr gut angenommen, sagt Herzig. „Wenn das gut gemacht ist, sind die Leute auch bereit, dafür zu zahlen.“

Auch der Hof der Reichels in Burgfarrnbach ist ein „Erlebnishof“ geworden. Renate Reichel gehörte zu den ersten Bäuerinnen, die sich an die Fortbildung herantrauten. 2005 war das, ein Pilotprojekt. Viele Bäuerinnen, die sie kannte, konnten sich nicht vorstellen, den Hof für fremde Menschen zu öffnen, auch ihr eigener Mann war skeptisch, erinnert sie sich.

Heute seien alle Zweifel weg — auch, weil sich tatsächlich Geld damit verdienen lasse. „Die Nachfrage ist riesig“, sagt Reichel, die das noch aus einem anderen Grund freut. „Unbändige Freude“ erlebe sie, wenn sie Kindern ihre Welt zeigen kann; wenn die zum ersten Mal ein Huhn Körner aus der Hand picken lassen und von Reichel erfahren, dass aus den Körnern auch das Mehl gemacht wird, das man für Pizza oder Pfannkuchen braucht. Auch älteren Menschen könnten solche Besuche gut tun, glaubt Reichel, „das fände ich reizvoll“. Nur mangele es an der Zeit, denn auch auf dem Hof der Reichels gibt es viel zu tun.

Ein wenig anders ist das mittlerweile auf dem Hof von Jutta und Martin Horneber, der Kernmühle in Roßtal. Tiere und Ackerbau spielen nur noch eine geringe Rolle. Den Hühnerstall haben die Hornebers zum Seminarhaus umgebaut. Unternehmen wie Datev, GfK oder Siemens buchen das Zentrum als Ort, wo in idyllischer Umgebung Mitarbeiter-Trainings stattfinden und sich Kollegen beim gemeinsamen Kochen, bei einer Schnitzeljagd oder beim Bogenschießen als Team erleben. Sie schätzen „die Stille und die Natur“, sagt Horneber, der selbst Unternehmensberater geworden ist, viel unterwegs ist und nur noch wenig Zeit in Latzhose und Gummistiefeln verbringt.

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