Ein Wiedersehen mit Russland
12.06.2012, 16:00 Uhr
In dem kleinen russischen Laden „Russia“ in der Maxstraße 26 steht eine Frau mit einem Paket Gretschnewaja Kascha (Buchweizengrütze) und einer Dose Schweinefleisch an der Kasse. Wer selbst russische Wurzeln hat, weiß sofort, was sie damit vorhat: Traditionell wird in der russischen Küche aus der Buchweizengrütze ein Brei gekocht und meist zu Fleischgerichten serviert.
Die Kundin zieht es oft in dieses Geschäft, „weil es hier Produkte gibt, die ein deutscher Supermarkt nicht hat, und weil man sich hier nett unterhalten kann“. Auch Inhaberin Larisa Logunenko weiß, dass ihre Kunden neben der Auswahl der Produkte, „die man von Kindheit an gewohnt ist“, den Plausch mit Landsleuten schätzen und deshalb auch gerne ein paar Minuten länger bleiben.
In Fürth leben rund 2500 Menschen, die ihre Wurzeln in Russland haben (zum Vergleich: 7600 Menschen haben türkische Wurzeln). Die Gruppe dieser Zuwanderer ist bunt gemischt: Aussiedler, Spätaussiedler und Menschen mit russischer Staatsangehörigkeit sind darunter, ebenso wie jüdische Kontigentflüchtlinge, aus denen sich heute die Israelitische Kultusgemeinde Fürth zu einem großen Teil zusammensetzt. Obwohl die meisten Einwanderer wegen der besseren Chancen auf Arbeit, der besseren Ausbildung ihrer Kinder und der besseren Lebensumstände hierherkommen, haben viele immer noch eine gewisse Sehnsucht nach der alten Heimat. Davon kann zum Beispiel Irina Fixel, Leiterin des Russisch-Deutschen Kulturzentrums in Nürnberg, viel erzählen.
Das Zentrum ist Anlaufstelle für Menschen mit russischen Wurzeln aus der ganzen Region. Fixel würde sich freuen, wenn es in Fürth eine Zweigstelle gäbe. Momentan scheitert es noch, so die Leiterin, an der Bürokratie. Man sei mit den zuständigen Fürther Behörden nicht vertraut und habe auch noch keinen Ansprechpartner für so ein Projekt.
Besuch von Väterchen Frost
Dass ein solcher Ort gut besucht wäre, daran haben Fixel und ihr Team keinen Zweifel. Sie kennen die Bedürfnisse ihrer Landsleute gut und wissen, was sie interessiert und was ihnen wichtig ist. Dazu gehört, dass viele Eltern ihren Kindern die Sprache und Kultur vermitteln wollen. In Sprachkursen, wie sie das Kulturzentrum anbietet, lernen sie auch Lesen und Schreiben. Spiele, Märchen und Zeichentrickfilme helfen dabei. Die Kenntnis der russischen Sprache fördert auch die Kommunikation innerhalb der Familie — generationsübergreifend. Viele, besonders Ältere und Menschen, die erst seit kurzem hier leben, sind außerdem dankbar, dass sie Informationen zu Themen wie Grundsicherung, Altenpflege und Kindervorsorge in der Muttersprache erhalten.
Die vom Kulturzentrum organisierten Lesungen, Theateraufführungen, Kinoabende oder politischen Diskussionen sind immer gut besucht. Aber auch die traditionellen Feste, so wie Masleniza (ein einwöchiges Fest am Ende des Winters in der Woche vor Beginn der Fastenzeit), das russisch-orthodoxe Osterfest oder Neujahr werden gefeiert. So wird für Kinder ein Neujahrsfest mit dem Besuch von Väterchen Frost — nicht dem Weihnachtsmann — und seiner Begleiterin Snegurotschka veranstaltet. Geschenke gibt es auch. Die Veranstaltungen bieten Raum, sich mit anderen Menschen in der eigenen Sprache auszutauschen.
Schon seit ein paar Jahren ist zu beobachten, dass auch mehr Deutsche, jüngere wie auch ältere, die Möglichkeit nutzen, in einem russischen Geschäft einzukaufen, in Konzerte und russische Diskotheken wie den Club Aura in Fürth mit „Russian Clubbing“ zu gehen. Und die Nachfrage nach solchen Veranstaltungen wächst. „Vergangenes Jahr war es spürbar. Aber in den Jahren zuvor war der Trend schon absehbar“, sagt Robert Steinkugler, Geschäftsführer der Stadthalle Fürth, in der Konzerte russischer Künstler und Aufführungen russischer Balletttruppen stattfinden. Für die Deutschen bieten diese Abende einen Einblick in die russische Kultur — für die Russen selbst ist es ein Wiedersehen mit der Heimat.
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