Festival zwischen Himmel und Erde

09.11.2016, 11:45 Uhr
Festival zwischen Himmel und Erde

© Foto: Thomas Scherer

Rainer Maria Rilkes 90 Todestag ist für die Festivalchefs — die Programmleiterinnen Sirka Schwartz-Uppendieck und Ingeborg Schilffarth sowie Dramaturg Michael Herrschel — Anlass genug, gleich am ersten Abend aufzuzeigen, was mit dem „Geistlichen im Weltlichen“ gemeint ist. Rilke schrieb seine „Marien-Leben“Gedichte nicht in Diensten der Kirche, sondern als freischaffender Poet. Eberhard Lauer, Organist des Hamburger Mariendoms, improvisiert am Freitag über jene Rilke-Werke — und er improvisiert über fünf Collagen der Künstlerin Barbara Gsaenger, denn das Auftakt-Orgelkonzert: Rainer & Maria der Kirchenmusiktage in Auferstehung (19.30 Uhr, 12/8 Euro, ZAC-Rabatt) ist zugleich Vernissage und Auseinandersetzung mit einer der poetisch umschwärmtesten Bibelprotagonistinnen: Maria, porträtiert von Bach und Messiaen, erwacht unter Lauers Fingern zu klingendem Leben.

Friedrich Rückerts Todesjahr jährt sich heuer zum 150. Mal. „Weltpoesie ist Weltversöhnung“ lautet einer von vielen klugen Sätzen des Mannes, der 44 Sprachen beherrschte und gleichermaßen orientalischer Poet wie poetischer Orientalist war. „Ökumene“, so Herrschel, „ist 2016 zum religiösen Dialog geworden, dem wir uns stellen wollen“ am Samstag im Gemeindehaus St. Michael (Kirchenplatz 7, 19.30 Uhr, 10/7 Euro) mit einem Vortrag des Erlanger Islamwissenschaftlers Georges Tamer sowie Rückert-Vertonungen von Brahms, Mahler und Schumann. Mit dabei ist die norwegische Altistin Solgerd Isalv vom Nürnberger Staatstheater.

Wie wiederum das Weltliche im Geistlichen aufgeht, zeigt Wolfgang Amadeus Mozarts putzmuntere „Spatzenmesse“, die neben seinem Te Deum am Sonntag um 16 Uhr beim ökumenischen Gottesdienst in St. Heinrich (Kaiserstraße 113) erklingt. Erstmals zu Festivalehren gelangen der (von Andreas König geleitete) Chor von St. Nikolaus aus Oberfürberg; die Gemeinde feiert im Dezember die 25-jährige Weihe der neuen Kirche.

Ein persischer Dichter steht im Mittelpunkt des Abends Körperstaub & Seelenantlitz (St. Michael, Kirchenplatz, 15. November, 19.30 Uhr, 10/7 Euro). Gedichte von Hafis erklingen original und in Übersetzungen von Rückert und Cyrus Atabay, Psalmen in Übertragungen Martin Luthers. Gebettet auf iranischer Instrumentalmusik, rezitieren Michaela Domes (Deutsch), Barbara Eberhardt (Hebräisch) und Alireza (Farsi) .

Ein Orgel-Solorecital mit Andreas König folgt unter dem Motto Mit Flügeln unterwegs und mit einer Referenz an den vor 100 Jahren gestorbenenen Max Reger („B-A-C-H“) am 18. November in St. Heinrich (19.30 Uhr, 8/5 Euro). Und mit zwei Uraufführungen des in Nürnberg lebenden Komponisten Claude Roth im Gepäck entern Sirka Schwartz-Uppendieck und Michael Herrschel das Nachtschwärmer-Foyer des Stadttheaters (18. November, 22 Uhr, 18 Euro). In ihrem Programm Glaube, Liebe, Sehnsucht spüren sie den geistlichen Momenten in französischen Chansons nach.

Dank und Klage zwischen Himmel und Erde: Gustav Mahlers „Kindertotenlieder“ nach Rückert-Texten sind am 19. November in St. Michael (19.30 Uhr, 28/22 Euro) zu erleben. Im Rahmen des Konzerts Poesie - Psalm - Paraphrase werden sie mit Werken für Sologesang, Chor und Orchester kombiniert: von Brahms („Schicksalslied“, „Alt-Rhapsodie) und Bernstein („Lamento“ aus der Sinfonie „Jeremiah“ und „Chichester Psalms“). Solgerd Isalv singt, Schilffarth dirigiert die Fränkische Kantorei.

Protestleute gegen den Tod versammeln sich am 20. November in St. Paul (Amalienstraße 64, 17 Uhr, 12/8 Euro), Trauriges trifft auf Tröstliches in Werken von Martin, Barber, Distler und Dorothea Hofmann. Hartmut Kawohl leitet das Kammerorchester Stein, Eberhard-A. Appel den Chor Musica Viva. Danach geht ULF-Kantor Helmut Neuhof in die Vollen. Am 21. November (Unsere Liebe Frau, Königstraße 139, 10 und 11 Uhr, 2 Euro) bittet er zum Kinderorgelkonzert mit Prokofjews unverwüstlichem „Peter und der Wolf“, illustriert mit Werken der populären Kinderbuchillustatorin Kerstin Hlawa. Am 25. November (19.30 Uhr12/8 Euro) stellt er an gleicher Stelle im Konzert Paris. Kreuzungen. Lichtpunkte Marcel Duprés „Der Kreuzweg“ vor, Hauptorgelwerk der französischen Spätromantik. Geplant ist ein besonderer klangtechnischer Coup; über den aber mag Soundtüftler Neuhof vorerst nichts verraten.

Fast schon obligatorisch ist in der neueren KMT-Geschichte ein Jazzabend; den gibt es heuer unter dem Titel Toccata & Offbeat am 26. November in St. Paul (19.30 Uhr, 12/8 Euro ZAC-Rabatt). Das fröhliche Recital gestalten Organist Thomas Greif und Schlagzeuger Daniel Piccon von der Global Shtetl Band.

Volltönendes Finale: Harfenwald: Himmlische Saitenspiele gibt es am 27. November ab 17 Uhr in Auferstehung (15/10 Euro, ZAC-Rabatt). 500 Saiten bringen sechs Absolventen der Harfenklasse der Musikhochschule Würzburg in Werken unter anderem von Chopin, Liszt, Debussy und dem Fürther Uwe Strübing zum Schwingen, Aktionskunst inklusive. In Strübings Märchen „Harfenwald“ spielt übrigens eine Oper in einer Kirche. Das Geistliche und das Weltliche: Wieder begegnen sie einander an diesem letzten Tag der Kirchenmusiktage, deren programmatische Dichte es dem weniger Eingeweihten nicht leicht macht. Aber, so Herrschel: „Das Sperrige ist ja keine Publikumsbeschimpfung, sondern eine gewachsene Vielsprachigkeit.“

Karten im FN-Ticket-Point (Breitscheid-Straße 19, Tel. 2 16 27 77) und an den Tages-/Abendkassen.

Keine Kommentare