Hallo, Grüß Gott, Sersen und Xin Chao
10.07.2011, 10:00 Uhr
„Respekt“, sagt Wolfgang Middendorf, „zeigt man, wenn man jemanden grüßt.“ Aber nicht nur das. Die Höflichkeit hat zwei Seiten, macht der 25-Jährige klar: „Man verschafft sich damit auch selbst einen gewissen Respekt.“ Der Rechts-Referendar bedauert, dass „gerade in Fürth eigentlich zu wenig gegrüßt wird“. Im Süden des Landes sei dies anders. Im Norden auch („Da wird das noch weniger praktiziert.“). Für Middendorf ist die freundliche Beachtung des anderen nicht zuletzt eine Chance für „eine bessere Mitmenschlichkeit und eine größere Offenheit“.

Der junge Fürther ist im Übrigen ein Anhänger von „Grüß Gott“, ein freundliches „Guten Tag“ ist für ihn auch in Ordnung. „Hallo“ mag er gar nicht: „,Hallo‘ sagt der Esel, wenn er in die Mühle kommt — den Spruch habe ich von meinem Vater“, sagt Middendorf lachend.
Küssender Corpsstudent
Formvollendet gelingt ihm sogar ein Handkuss: „Ohne Berührung“, erklärt Middendorf. „Ich habe gelernt, den Daumen zwischen Hand und Lippen zu legen.“ Und wann gibt es für ihn Gelegenheit dazu? „Als Corpsstudent in Erlangen habe ich diese Form der Begrüßung von Damen zum Beispiel bei Bällen oder Empfängen gewählt.“
„Viel zu wenig“, sagt auch Renate König (66), „wird in Fürth ,Hallo‘ gesagt.“ Sie freue sich über jedes freundliche Nicken, hat aber langsam das Gefühl, dass „man dumm angeschaut wird, wenn man grüßt“. Andrea Hirschmann (66) und Helmut Wollny (72) sind mit Mops Carlos unterwegs und denken mit etwas Wehmut an freundliche Sitten in Frankreich und Amerika: „Bei meiner Tochter im Elsass wünschen die Kinder auf der Straße jedem Erwachsenen zum Beispiel ,Bon Soir‘ und in den USA ist es sowieso üblich, wenigstens ,Hi‘ zu sagen“, berichtet Helmut Wollny und Andrea Hirschmann bedauert: „Hier bei uns fehlt das halt ein bissel — aber das war schon immer so.“

Doch sie sieht eine Wende zu mehr Freundlichkeit im Alltag: „Die jungen Leute finde ich meist netter als die alten.“ Nicht nur beim Grüßen, sondern auch, wenn es um gute Nachbarschaft mit Straßenfesten oder Blumengießen in der Urlaubszeit gehe, habe sie sehr gute Erfahrungen mit den Jüngeren gemacht.
„Fürther sind höflich“
Kim Dung Le bricht eine Lanze für die Franken. Die Mutter von drei Kindern, die aus Vietnam stammt, beteuert: „Die Fürther sind sehr höflich.“ Die 30-Jährige freut sich besonders darüber, dass sie Hilfe angeboten bekommt, wenn sie mit Buggy und Kindern in Bus oder U-Bahn steigen will: „Manchmal bekomme ich sogar einen Platz angeboten.“ In Vietnam sei es auch nicht üblich, allzu häufig zu grüßen. Aber wenn, dann tue man das mit „Xin Chao“.

„Ich grüße eigentlich immer“, sagt Maximilian Meyer-Vogelhuber. Der 17-Jährige variiert die Formeln: „,Hi‘, ,Servus‘ oder ,Sersen‘ gibt es für Freunde, Respektspersonen hören auch schon mal ,Schönen guten Tag‘.“ Zum Kreis der Letzteren zählen „Leute, die schon älter sind oder junge, die meinen Respekt verdient haben“.
Für Conny Neubauer (31) vom Restaurant-Hotel „Neubauers Schwarzes Kreuz“ ist Höflichkeit selbstverständlich. Sohn Rafael (4) soll natürlich „die Basics wie Bitte und Danke“ beherrschen, am Herzen liegt der jungen Mutter aber noch etwas: „Er soll ein gutes Kind sein, das heißt, die Moral ist noch wichtiger als die Höflichkeit.“ Die beherrscht der Vierjährige aber längst ganz prima: „Im Restaurant sprechen wir natürlich immer von Damen oder Herrn, das hat er übernommen und redet von Frauen nur als Damen.“
Keine Frage also, da wächst eine besonders höfliche Generation heran. Aber hallo.
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