Idee der Landschaft

12.02.2014, 09:30 Uhr
Idee der Landschaft

© Christiane Richter

Die Bilder in der Kofferfabrik tragen keine Titel, nur Nummern. Und doch sind sie so gehängt, dass der Betrachter quasi einen Rundgang durch einen imaginären Wald unternimmt. Das beginnt mit einer nassglänzenden Straße in einem unwahrscheinlichen Ultramarinblau, die in ein feuchtkühles Grün führt.

Aber sind wir hier eigentlich in einem Wald? Doch, ja. Aber es ist ein verwunschener Forst, in dem nichts deutlich, scharf und klar konturierbar und fassbar ist. Es ist, als hätte ein extrem kurzsichtiger Betrachter seine Brille daheimgelassen. Oder als stände die gesamte Landschaft drei Meter unter Wasser.

Im Grenzbereich

Im Grunde fotografiert die Wahlfürtherin Christiane Richter — Jahrgang 1956 — so, wie Gerhard Richter malt: im Grenzbereich zwischen Fotorealismus und malerischer Vision, dessen Werke so wirken wie leicht unscharfe Fotografien. Nun ist es keine Kunst, Fotos zu bewerkstelligen, die nicht den Sehgewohnheiten des Abbildrealismus entsprechen: mit Über- unter Unterbelichtungen, langer Verschlusszeit, Unschärfen und Verwackelungen kann man jedes Bild verpfuschen — oder auch verzaubern.

Bei den „Einblicken“ handelt es sich nicht um „verpfuschte“ Fotos, sondern um den Versuch, Natur neu zu sehen und wiederzugeben. Selten sieht man einen Baum in seiner Gesamtheit (und auch da nur flirrend), eher bevorzugt Christiane Richter Teilansichten von Baumstämmen, die vor einem extrem unscharfen, dafür sattgrünen Hintergrund stehen. Und selbst diese Baumstämme verlieren ihre Massivität, Plastizität und Haptik, sie scheinen aufzuweichen und wie dicke Pinselstriche das Bild in vertikale Zonen zu teilen.

Rekonstruktionsversuche

Natürlich ist der Betrachter versucht, jedes Bild zu rekonstruieren, doch bei manchem Fotogemälde steht er staunend davor und fragt sich: Was mag das eigentlich ursprünglich gewesen sein? Vielleicht das Spiegelbild eines Laubdachs auf trübem Seewasser? Ein Reißschwenk nach oben oder zur Seite?

Am Ende der Ausstellung findet er sich vor einem Tetraptychon, einer vierteiligen Bildtafel. Während die unteren drei Bilder verkleinerte Ausgaben bereits zuvor gesehener Fotografien zeigen, verschließt sich das große Bildnis darüber einer Deutung. Es zeigt nur weißblaue und goldorangene vertikale Streifen vor laubbraunem Hintergrund. Gewissermaßen die Zusammenfassung und Quintessenz eines ästhetisch längst totgesagten Waldspaziergangs. Christiane Richters Arbeiten können noch bis 30. April montags bis samstags von 18 bis 1 Uhr und sonntags von 10 bis 1 in der Galerie der Fürther Kofferfabrik, Lange Straße 81, besichtigt werden. Ganz andere Eindrücke aus der Natur führt indes eine Ausstellung in der Tanzerei, Kaiserstraße 133, vor Augen. Die Malerin Karolina Wagner präsentiert hier unter dem Titel „blue(s)“ mit dem inneren Auge gesehene Motive. Und eine weitere Fotoausstellung wird am Freitag um 16 Uhr im Zirndorfer Helene-Schultheiß-Heim der Awo, Marie-Juchacz-Straße 2, eröffnet. Dort führt FN-Fotograf Gerd Axmann Morgenstimmungen aus dem Fürther Wiesengrund vor Augen.

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