«Mein Leben als Erinnerung für die Kinder»

19.02.2010, 00:00 Uhr
«Mein Leben als Erinnerung für die Kinder»

«Die Kinder wissen ja heute gar nicht mehr, wie wir früher gelebt haben, und wenn wir unsere Erlebnisse nicht aufschreiben, dann geht das alles verloren.» Davon ist Anne-Marie Frisch überzeugt. Und deswegen hat die heute 88-Jährige auch ihr ganzes Leben über Tagebuch geschrieben, über das, was sie bewegt und was um sie herum passiert.

Zumindest bis 2006. Dann wurde die gebürtige Nürnbergerin, die heute in Pleikershof bei Cadolzburg (Landkreis Fürth) lebt, krank und glaubte, ihre Aufzeichnungen nicht mehr beenden zu können. Da erfuhr sie über die Zeitung vom Biografie-Wettbewerb «Was für ein Leben!», der in den drei Kategorien Zeitzeuge, Persönlichkeit und Engagement je ein besonders interessantes Leben ausgezeichnet. Als Bewerbung muss lediglich die eigene Lebensgeschichte, komprimiert auf fünf Seiten, eingeschickt werden.

«Da habe ich mir gesagt: Fünf Seiten, das schaff’ ich noch, einfach so, als Erinnerung für meine Töchter und Enkelkinder», erzählt Frisch. «Ich habe meine Bewerbung nie ernst genommen und diese Erinnerungen eigentlich nur für meine Familie zusammengefasst.» Doch im Januar 2007 klingelte plötzlich das Telefon und eine Stimme verkündete: «Frau Frisch, Sie haben gewonnen!» «Da habe ich gleich wieder aufgelegt», erzählt Anne-Marie Frisch lachend, «ich dachte, da will mir nur wieder jemand etwas andrehen.»

Doch die Fränkin hat tatsächlich gewonnen – und im Sommer stand dann ein Filmteam von ad.eo Filmbiografien bei ihr auf der Matte. Eine Woche lang musste Frisch in allen Einzelheiten aus ihrem Leben erzählen: Von ihrer Kindheit in bürgerlichen Verhältnissen, wie sie ihre Liebe zur Landwirtschaft entdeckte, einen Bauern heiratete und sich schließlich ihren eigenen Hof aufbaute.

Ein Leben in 90 Minuten

Die damals 85-Jährige hat die Dreharbeiten sehr genossen: «Es war toll, ich konnte alle Stationen meines Lebens gedanklich nochmal erleben. Das Filmteam hat mich zu meinem Elternhaus gebracht und auch meine alte Schule, das Labenwolf-Gymnasium, habe ich besucht. Das hat mir viel Spaß gemacht.» Aber auch ihre Familie habe sich sehr über den Gewinn gefreut, meint Frisch und muss lachen: «Die haben gesagt, super, Oma, da bist du beschäftigt und nervst uns nicht!»

Am Ende der Dreharbeiten stand eine 90-minütige Dokumentation mit dem Titel «Stadtmadame wird Bäuerin». In den Film wurden neben Interviews auch alte Fotos und Familienvideos mit aufgenommen, so dass das Ergebnis jetzt eine schöne Erinnerung für die ganze Familie ist. Die Uraufführung war im Deutschen Historischen Museum in Berlin, dort wäre der Film auch weiterhin gezeigt worden. Doch Anne-Marie Frisch wollte das nicht: «Ich wollte ja eigentlich nur eine Erinnerung für meine Kinder und Enkel, damit die später noch wissen, wie ihre Oma gelebt hat.»

Derzeit läuft wieder die Bewerbungsfrist für «Was für ein Leben!», noch bis 28. Februar können sich Interessierte mit ihrer Lebensgeschichte oder der eines anderen bewerben. Teilnehmen kann jeder, der in Deutschland lebt, Verstorbene können aber nicht vorgeschlagen werden.

Anne-Marie Frisch jedenfalls kann eine Teilnahme nur empfehlen: «Das Beste für mich war nicht, dass ich am Ende gewonnen habe, sondern dass ich etwas über mein Leben für meine Kinder aufgeschrieben habe. Und das sollten alle machen, damit nicht in Vergessenheit gerät, wie’s früher war. Wenn wir dann nicht mehr da sind, gehen die Erinnerungen alle verloren, und das wäre schade. Ich hätte gern etwas darüber gelesen, wie meine Großmutter damals gelebt hat.» VERENA POHL

Die Bewerbungsunterlagen für den Wettbewerb gibt‘s online: www.was-fuer-ein-leben.de