,Menschenrechte sind Sache der Politiker
27.06.2008, 00:00 Uhr
Wie verschlägt es einen aus dem PinderPark in das chinesische Erdbebengebiet?
Dittmar: Ich bin seit zehn Jahren ehrenamtlich beim THW in Ansbach und dort als Fachberater aktiv. Außerdem gehöre ich einer der drei deutschen Seewa-Einheiten an. Seewa steht für Schnell-Einsatz-Einheit-Wasser-Ausland. Diese Kräfte werden aktiviert, wenn in Katastrophengebieten Trinkwasser in großen Mengen benötigt wird.
Welche Voraussetzungen muss man dazu mitbringen?
Dittmar: Man braucht eine Fachausbildung. Ich bin beispielsweise Rettungsassistent und Heilpraktiker. Logistische Aufgaben müssen bewältigt werden. Man muss teamfähig sein und zupacken können.
Welches Szenario hat sich Ihnen nach der Ankunft in China geboten?
Dittmar: Nach unserer Landung in Peking sind wir weitergeflogen nach Chengdu, einer Bezirkshauptstadt mit sechs Millionen Einwohnern. Da befanden wir uns noch außerhalb des Einsatzgebietes. Auch unsere 30 Tonnen Ausrüstung, darunter sechs Trinkwasseranlagen, wurden weitertransportiert. Wir waren eine Nacht in einem Hotel im elften Stock untergebracht. Es gab immer wieder Nachbeben, die fünf bis zehn Sekunden dauerten. Aus den unteren Gebäudeteilen sind die Einwohner geflüchtet, das war schon seltsam.
Und im Einsatzgebiet selbst?
Dittmar: Als wir kamen, war die so genannte Chaosphase schon vorbei. Die Armee ist zu Fuß einmarschiert und hat angepackt. Wir sind noch 60 Kilometer mit dem Auto gefahren, eine Spur der Straße war für Katastrophen-Einsatzkräfte reserviert, und haben unser Camp aufgebaut. Alles hat hervorragend geklappt.
Wie war die Zusammenarbeit mit den Chinesen?
Dittmar: Reibungslos, ob das nun die Experten vom Wasserwirtschaftsamt, Armeeangehörige oder unsere Dolmetscherinnen waren.
In den europäischen Medien wird meist ein anderes Bild gezeichnet.
Dittmar: Unsere Aufgabe war es nicht, die Frage der Menschenrechte zu diskutieren, das ist Sache der Politiker. Ich bin mir nicht überwacht vorgekommen. Natürlich wollten die Chinesen wissen, wo wir uns aufhalten, aber das wäre bei uns im Katastrophenfall, in einem Erdbebengebiet noch dazu, nicht anders. Im Notfall muss man wissen, wo man die Leute vielleicht herausziehen kann.
Was hat das THW-Team nun genau gemacht?
Dittmar: Die Chinesen haben Container-Camps für Flüchtlinge errichtet, dort haben wir unsere Trinkwasseranlagen installiert. Ich war als so genannter Medical für die sanitätstechnische Versorgung zuständig - egal, ob sich jemand den Hammer auf den Daumen gehauen hat oder Durchfall hatte. Auch Chinesen sind zu uns gekommen mit Kindern, die ich dann entweder versorgt oder an das mobile Krankenhaus weiterverwiesen habe.
Mit dem großen Elend wurden Sie also nicht direkt konfrontiert?
Dittmar: Wir hatten einen chinesischen Fahrer, ein fleißiger Mann, der erzählte, dass er keinen Kontakt zu seiner Familie habe. Er wusste nicht, wo sich Frau und Kind aufhalten und sagte, wenn seine Aufgabe beendet sei, würde er nach ihnen suchen. So etwas geht einem schon nahe.
Und was bleibt Ihnen nach vier Wochen außer der Erinnerung an den Besuch des deutschen Außenministers Frank-Walter Steinmeier im Camp und Ihrem Helfer-Shirt?
Dittmar: Der Außenminister kam mit seinem Pressetross. Danach hat der Redakteur von Weltonline geschrieben, ich sei ein Held. So etwas muss man sofort bremsen. Wir waren dort, um Menschen zu helfen. Ohne Mauern im Kopf und zwar von beiden Seiten. Ich halte Kontakt zu einer der Dolmetscherinnen, sie würde gerne ein Praktikum in Deutschland machen. Mal sehen, vielleicht klappt das in der Zahnarztpraxis meiner Frau. Interview: H. EHM