Mit Reimen und Klatschen die Sprache lernen

24.10.2011, 13:00 Uhr
Mit Reimen und Klatschen die Sprache lernen

© Edgar Pfrogner

„Wir haben uns das Thema nicht ausgesucht, es ist auf uns zugekommen“, beschreibt Beate Pfeiffer, stellvertretende Leiterin in Stein, die Motivation. „Sprache und Integration“ sind schon viel länger pädagogische Schwerpunkte im evangelischen Kindergarten „Gräfin Ottilie“. Schon zweimal hat das Team an Fortbildungen dazu teilgenommen und dafür Zertifikate erhalten. Dank des Bundesprogramms haben sie jetzt eine neue Kollegin: Michaela Merz ist Erzieherin und bildet sich derzeit als Fachkraft für Sprachentwicklung fort. 20 Stunden pro Woche unterstützt sie das Team.

101 Mädchen und Jungen besuchen die Einrichtung. Ein Drittel von ihnen hat einen Migrationshintergrund, ein Viertel lebt bei einem alleinerziehenden Elternteil, 20 Prozent stammen aus sozial schwachen Familien. Insgesamt besuchen Kinder aus 17 Nationen den Traditions-Kindergarten in der Steiner Altstadt.

Leiterin Berit Werner legt Wert darauf, dass die Sprachprobleme aber nicht allein auf Kinder aus Migrationsfamilien beschränkt seien, sie finden sich auch in deutschsprachigen Familien.

Mehrere Ursachen nennt sie dafür, dass Mädchen und Jungen bei der Sprachentwicklung ins Hintertreffen geraten: Mütter und Väter, aufgerieben zwischen Job und Familie, finden immer weniger Zeit fürs Gespräch am Abendbrottisch, fürs Vorlesen, für kleine Reimspiele. Nicht selten werden der Fernseher, Computer oder die Märchen-CD zum Ersatz. Bei Einzelkindern scheiden ältere Geschwister als Gesprächspartner sowieso aus.

Die Basis fehlt

Gelegentlich fehlt es den Eltern selbst an der notwendigen Basis, sie sprechen sowohl ihre Muttersprache als auch Deutsch nur mangelhaft und können ihren Kindern keinen guten Start geben. „Alle Studien belegen, dass die gute Kenntnis der Muttersprache die beste Grundlage im Kindesalter ist, eine weitere Sprache zu erlernen“, weiß Berit Werner.

Was die Situation nicht einfacher macht, ist das immer frühere Eintrittsalter in den Kindergarten. Mädchen und Jungen, die mit zweieinhalb Jahren die Einrichtung besuchen, brauchen mehr Betreuung als Ältere, sei es beim Schuhe anziehen oder beim Gang zur Toilette.

Immer wieder kommen in die „Gräfin Ottilie“ Kinder, die kein Wort Deutsch sprechen. Sie müssen an die Hand genommen werden, begleitet von „Komm, wir gehen jetzt Schuhe anziehen“ werden sie den Satz meist schon bald verstehen. „Auch für uns bedeutet das einen ungeheuren Energieaufwand“, beschreibt Beate Pfeiffer den holprigen Start für die Kleinen und die Erzieherinnen.

Die Folgen der mangelnden Sprachenentwicklung sind gravierend und spätestens mit Eintritt in die Grundschule spürbar. Wer Lesen lernen will, muss schon zuvor Laute erkennen oder Silben trennen können. Auch der Wortschatz muss so ausgebildet sein, dass die Erstklässler verstehen, wenn sie kleine Aufträge ausführen sollen.

Sprachförderung von Anfang an soll diese Lernhindernisse beseitigen. Michaela Merz ist dazu täglich in allen vier Gruppen im Einsatz. Oft ist sie nur Beobachterin. Sie achtet beispielsweise auf Auffälligkeiten bei der Lautbildung und kann dann ihre Kolleginnen gezielt darauf hinweisen. In kleinen Gruppen macht sie mit den Kindern einfach Reimspiele, liest Geschichten und spricht mit Kindern darüber oder lässt Rätsel raten. „Die gezielte Förderung ist ganz spielerisch“, sagt sie.

Positive Resonanz

Was das „Gräfin Ottilie“-Team ermutigt, ist die Rückmeldung aus den Grundschulen. „Die Lehrerinnen sagen uns, dass sich unsere pädagogische Ausrichtung bemerkbar macht“, berichtet Berit Werner. Dank der Fachkraft soll das noch besser werden. Doch das Bundesprogramm, das mit 400 Millionen Euro 4000 deutsche Kindergärten fördert, hat einen Haken: Es läuft 2014 aus.

Dies hat bereits die SPD-Bundestagsabgeordnete Marlene Rupprecht, die sich vor Ort in Stein informierte, bemängelt: „Wenn das Projekt rum ist, kann dieser Schwerpunkt der Bundesförderung nicht fortgeführt werden, weil Kinderbetreuung Ländersache ist.“ Das Land Bayern müsste in diesem Fall einspringen.

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