«Mufti Stoiber lässt nach seiner Pfeife tanzen»

13.01.2007, 00:00 Uhr
«Mufti Stoiber lässt nach seiner Pfeife tanzen»

© Thomas Scherer

Man trifft sich beim «Schmotzer». Eigentlich heißt das Gasthaus «Zum grünen Baum» und liegt am Ortsplatz des Dorfes, das 2300 Einwohner zählt. Doch die Puschendorfer haben ihm den Namen des Wirts verpasst. Draußen riecht’s nach Odel und der heftige Wind wirbelt Äste umher. Währenddessen bricht drinnen der verbale Sturm auf den bayerischen «König» los.

Ein Bürgerstammtisch. Wer jetzt an rotwangige Bierdimpfel denkt, die mit den Fäusten auf den Tisch hauen und plumpe Parolen wettern, der irrt. Die 18 Puschendorfer - darunter fünf Frauen - sind das glatte Gegenteil. Im rauchfreien Nebenzimmer trinken sie Limo, Cola, Wasser und Hefeweizen, bemühen sich, die dick mit Bratwurstgehäck belegten Brote zu verdrücken und haben sich vorgenommen, eine «anspruchsvolle politische Diskussion» zu führen. Am Ende wird einer sagen, man habe «eine Lehrstunde in Staatsbürgerkunde» abgeliefert.

«Wir stehen zur Partei, aber nicht zu einzelnen Köpfen», lässt Klaus Madinger als Vorsitzender des Ortsverein wissen. Er versichert, dass die Seukendorfer und Veitsbronner ähnlich denken und sorgt sich, dass durch die Stoiber-Pauli-Affäre verprellte Mitglieder das Handtuch werfen könnten. «Bitte gebt es an alle weiter», sagt er, «wer etwas bewegen will, muss bei uns bleiben.» Von nun an klingt die Enttäuschung über Edmund Stoiber beinahe in jedem Satz an. «Seit 2005 warte ich darauf, dass er sich ändert, aber er ist wie ein Mufti, der alle nach seiner Pfeife tanzen lässt», schimpft Alt-Bürgermeister Karl-Heinz Merz.

Klaus-Jürgen Schulz gibt ihm in echt Berliner Schnauze Recht. «Ick denke, er muss weg», sagt er. Ein Wechsel, das finden alle, wäre sinnvoll. Aber der Zeitpunkt? «Denkbar ungünstig», glaubt Erika Hütten. Als Frau, sagt sie, sei sie sehr stolz, dass Gabriele Pauli ihre Position so ausficht. Trotzdem halte sie es für falsch, Stoiber zu demontieren. Schließlich habe er viel erreicht und es sei doch eh kein anderer in Sicht.

Ach wo. Das will Werner Boguth so nicht stehen lassen. Als Stoiber damals Wirtschaftsminister in Berlin werden sollte, seien Erwin Huber und Günther Beckstein sofort aus der Deckung gesprungen. Madinger kann sich gut eine Landesmutter vorstellen. Was halte man denn von Barbara Stamm? Die Gäste wiegen die Köpfe und fragen sich scherzhaft, ob man wohl Katholik sein müsse, um Ministerpräsident zu werden. Habt ihr schon gehört, sagt einer, dass Stoiber einen Rückzieher gemacht hat und sich nun doch nicht in Kreuth nominieren lässt? Manche staunen. Gerade, als eine Frau die Hälfte ihres Hackbrotes in Alufolie wickelt, fällt der Satz: «Nur die Hälfte? Bei der Amtszeit? Dann kann er gleich einpacken.»

Während über Stoiber heftig geschimpft wird, erntet Pauli fast nur Beifall. Obwohl, das mit ihrer Homepage sei nicht richtig gewesen. Aber diese Bespitzelei. «Nur widerlich», schimpft der Alt-Bürgermeister. Der Ex-Berliner Schulz spricht aufgebracht von Stasi-Methoden, was Bürgermeister Wolfgang Kistner im Rechtsstaat Deutschland gar nicht gerne hört. Trotzdem zeigt auch er sich entsetzt über die Vorfälle.

Pauli, darüber sind sich alle einig, sei sehr mutig gewesen, als sie an die Öffentlichkeit ging. «Super» sei das, wie sie den Landkreis in allen Fernsehsendern repräsentiere, sagt Angela Semeniuk und wird des Lobens nicht müde. Die Landrätin habe so eine angenehme Erscheinung, trete souverän auf, quassle dem Moderator nicht rein und argumentiere fair.

«Sie hat zur Sprache gebracht, was schon lange unter dem Deckel köchelte», weiß der Alt-Bürgermeister. Aber nun müsse Ruhe einkehren. Genau deshalb sollten die Kontrahenten miteinander reden. Außerdem dürfe Stoiber nicht mehr kandidieren. Klaus-Jürgen Schulz mit dem Berliner Akzent fordert den «Landesvater» auf, schleunigst seinen Hut zu nehmen: «Denn lieber ein Ende mit Stoiber, als ein Schrecken ohne Ende.»