Nazi-Gegner in Fürth für Hitlergruß verurteilt
11.10.2019, 11:33 UhrSchauplatz war am Samstag, 13. Oktober 2018, die Fürther Fußgängerzone, Höhe Blumenstraße. Kurz vor der Landtags- und Bezirkstagswahl befand sich dort unter anderem ein Info-Stand der rechtspopulistischen AfD, den ein Einsatztrupp der Polizei im Auge hatte.
In der Verhandlung drehte sich nun alles um die Frage, was genau der Angeklagte ausrief und tat, als er mit einer Bekannten dort vorbeilief. Rief er die Worte "Heil!", "Heil!" und nach kurzer Pause das Wort "Sieg"? So wollen es die Polizeibeamten gehört und teils gesehen haben. Rief er, was definitiv strafbar ist, "Heil Hitler!" und erhob den rechten Arm mit flach ausgestreckter Hand? So stellten es Zeugen aus AfD-Kreisen dar. Oder stieß er, wie er selbst versichert, ausschließlich den Ruf "Heilt Höcke" aus? Der wäre nicht strafbar.
Vor Gericht präsentierte sich der Angeklagte, ein aktuell arbeitsloser Kulturmanager aus Fürth, höflich, wortgewandt – und als entschiedener Nazi-Gegner. Nach eigenen Angaben hat er Theater-, Medien-, Kulturwissenschaften und Politik studiert, unter anderem einige Jahre am Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände in Nürnberg gearbeitet und dort in Vorträgen und Fortbildungsveranstaltungen kritisch über Nazi-Propaganda aufgeklärt.
Er verlas eine Erklärung, in der er die AfD als "Sammelbecken für antidemokratische, ja: faschistische Strömungen" bezeichnete, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung bedrohten. Die Partei vertrete "in nicht unbeträchtlichem Maße völkisch-nationalistische, ethnozentristische und rassistische Positionen". Ihr Wortführer Bernd Höcke und der von ihm vertretene ultrarechte "Flügel" fungierten als "Scharnier zu offen rechtsextremen Individuen und Organisationen". Vor dem AfD-Stand in Fürth, so die Schilderung des Angeklagten, "illustrierte ich diese Umstände komprimiert in der dreimal ausgestoßenen Formel ,Heilt Höcke’". Diese letzten zwei Worte spuckte er förmlich aus und erklärte überdies, er habe sich an jenem Oktobertag der "verdichtenden satirischen Überspitzung" bedient.
Die Polizisten sagten übereinstimmend, sie hätten die Äußerungen des Angeklagten als Provokation bzw. Protest gegenüber der AfD aufgefasst. Einen zum Hitlergruß erhobenen Arm hatten sie nicht, AfD-Vertreter aber durchaus gesehen. Eine Freundin des Angeklagten sprach im Zeugenstand von einer "erhobenen Faust".
Richter Matthias Held kam trotz der Widersprüche zu der Überzeugung, dass der Angeklagte den Hitlergruß entboten hat. Er sah in dessen Verhalten keine offenkundige Ironie, Kritik oder Satire, die nicht strafbar wäre. Er verurteilte den wegen Beleidigung vorbestraften 45-Jährigen nach Paragraf 86a des Strafgesetzbuchs (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen) zu genau dem Strafmaß, das Staatsanwältin Sabrina Pätzold gefordert hatte. Verteidiger Michael Brenner hatte auf Freispruch plädiert. Eine Berufung ist möglich.
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