Soundtrack einer erstaunlichen Erfolgsstory
28.5.2014, 16:00 Uhr„next to normal“, das ist die Geschichte einer manisch-depressiven Mutter, die den Tod ihres Buben nicht verkraften konnte, mit seinem „Geist“ Zwiesprache hält und damit ihren Mann, ihren Sohn, ihre Tochter und deren Freund bis an die Grenzen ihrer eigenen Stabilität treibt. Manisch-depressiv, das bedeutet: von himmelhochjauchzend bis zu Tode betrübt und wieder zurück. Extreme Stimmungen, von exaltiert bis intim, von fortissimo triumphale bis largo pianissimo, bieten das gefundene Fressen für jeden Komponisten. Der Librettist aber hat das Problem, das tiefernste Thema anschaulich und doch unterhaltsam vorzustellen, ohne die Krankheit auszubeuten. Eine extreme Gratwanderung, die den Amerikanern Tom Kitt (Musik) und Brian Yorkey (Text) gelungen ist.
Vielfalt der Stimmungen
„next to normal“ ist somit auch eine typisch amerikanische Erfolgsgeschichte: eine kleine graue Maus von Musical, die mit einem halben Personal-Dutzend, einer Rockband sowie sparsamer Bühnentechnik die Herzen eroberte, Preise einheimste und in 15 Sprachen übersetzt wurde. Die Geschichte bringt es und die Vielfalt der Stimmungen.
„Dennoch war Deutschland, der drittgrößte Musicalmarkt der Welt, eines der letzten Länder, in denen ,next to normal’ aufgeführt wurde", wundert sich Regisseur und Übersetzer Titus Hoffmann auf der Bühne des Stadttheaters. Hoffmann hatte bei sämtlichen Musicalbühnen der Republik vorgesprochen, aber die Intendanten scheuten vor dem spröden Stoff zurück. „Zu ernst, die Leute wollen Unterhaltung", lautete der Tenor. Dann aber besann sich Hoffmann auf seine fränkische Heimatstadt mit dem schnuckeligen Theater; Intendant Werner Müller ging das Risiko ein, trommelte ein Starensemble zusammen — und die Rechnung ging auf. Das wiederum ist dann wohl eine fränkische Erfolgsgeschichte. So gut ging die Rechnung auf, dass das Ensemble auch noch eine CD bespielte — nicht etwa im Studio, sondern live im Stadttheater. „So eine CD ist fast teurer als die eigentliche Bühnenarbeit, denn hier ging es vor allem um Lizenzen“, seufzt Titus Hoffmann. Die amerikanischen Urheber waren recht heikel in ihren Ansprüchen, und so darf die Fürther Produktion sich rühmen, die dritte Einspielung weltweit zu präsentieren: nach der originalen US-Fassung steht sie nur noch hinter Südkorea.
Wie Mutter und Tochter
Fast das gesamte Ensemble glänzt am Montagabend durch Anwesenheit, lediglich Thomas Borchert (Ehemann Dan) konnte nicht kommen. Sie alle gaben Kostproben ihrer Sangeskünste solistisch wie im Duett, und so geriet der Abend noch einmal zu einem musikalischen Querschnitt durch das Musical. Natürlich gaben die Sänger artig ihre Komplimente zu Fürth und Franken ab: „Ich mag, wie die Leute hier sprechen“, plaudert „Tochter“ Sabrina Weckerlin und plaudert noch weiter aus dem Nähkästchen mit Hauptdarstellerin Pia Douwes: „Wir haben während der Proben zusammengelebt, es war wie Mutter und Tochter.“
„Geistersohn“ Dirk Johnston indessen outet sich als Jesus, der es jüngst unter nicht weniger als zehntausend Bewerbern für die Neuauflage von Lloyd-Webbers „Jesus Christ Superstar“ in die engste Auswahl schaffte, und Ramin Dustdar als Psychiater lässt sein Kehlchen fast so schön glänzen wie weiland Ian Gillan in seinen besten Zeiten — der Deep Purple -Sänger hatte übrigens auch mal den Jesus gegeben.
Die CD des österreichischen Labels Hitsquad klingt technisch perfekt, fast so gut wie im Studio, lediglich einige Reaktionen aus dem Publikum erinnern daran, dass es sich um den Mitschnitt von Live-Aufführungen handelt. Freilich, die pure Abfolge der Lieder allein ersetzt nicht das Stück; das sollte man komplett sehen. Nächstes Jahr folgt im Stadttheater die Wiederaufnahme von „next to normal". Für die zehn Aufführungen zwischen 30. April und 31. Mai beginnt der Vorverkauf am 8. September, Reservierungen (Tel. 9 74 24 00) sind ab sofort möglich.
„fast normal — next to normal“: Deutsche Originalaufnahme, Hitsquad Records, 2 CDs, 22 Euro. Erhältlich im Stadttheater und ab 3. Juni überall im Handel.
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