Vom Trubel umzingelt
09.10.2010, 16:00 Uhr
FÜRTH - Lasziv räkelt sich die glutäugige Schöne im knappen roten Badeanzug und riskiert einen schrägen Blick ins Fenster. Für Stefan Kuhn ist die ungewöhnliche Aussicht von seinem Schreibtisch einmal im Jahr Routine. Der Justizwachmeister sitzt mit seinen Kollegen in Greifweite des Autoscooters, der vor dem Amtsgericht aufgebaut ist. „Die Blinkerei stört uns wenig, und die Fenster sind gut gedämpft“, sagt der 45-Jährige. Gut, ab und zu schauen mal Vorwitzige ins Haus, aber das ist selten der Fall und kein großes Problem.
Kollege Markus Emmert (33) sieht die praktische Seite: „In der Mittagspause kann man auch mal über die Kirchweih schlendern.“ Und ob sie wollen oder nicht, die Männer in der Wachmeisterei sind im Moment bestens über die aktuellen Charts-Platzierungen im Bilde — dank der Beschallung von außen. „Shakira wird hoch und runter gespielt“, weiß Emmert.
Manfred Eisenbart (56) hat seit 27 Jahren Erfahrung mit dem Arbeitsplatz im Herzen der Kärwa. Auch ihn stört der Trubel wenig, dafür mag er genau wie seine Kollegen „die Delikatessen“, die an den Imbissständen locken. Roland Feder hat dagegen grundsätzlich auch nichts einzuwenden, doch der 37-Jährige, ebenfalls Justizwachmeister, bekennt lachend: „Wenn ich ehrlich bin, dann ist mir die Kirchweih ziemlich wurscht, was für mich wirklich zählt ist meine Heim-Kärwa in Großhabersdorf.“
„Das kann doch nicht wahr sein.“ Genau das, sagt Konstantin Tziamalis, Inhaber der Berolina-Apotheke in der Königstraße, war sein erster Gedanke, als er sich nach der Eröffnung 1988 zum ersten Mal von der Kirchweih eingekreist sah.
Besondere Mischung
Mittlerweile hat er viel Erfahrung damit, die ganz besondere Duftmischung aus den diversen Futterbuden ist aber immer noch nicht sein Fall: „Da kommt alles auf einmal, das ist eine Vergewaltigung des guten Geschmacks“, sagt er — und klingt trotzdem gut gelaunt. Die Geschäfte, bestätigt der Apotheker, laufen während des Rummels nicht ganz so gut.
Auffallend oft aber werden in dieser Zeit erstaunliche Sonderwünsche laut: „Heute Morgen wollte zum Beispiel jemand ,Engels-Essenz‘“, wundert sich Tziamalis. Trotz seines doch recht beachtlichen Lagers habe er damit leider nicht dienen können.
Mittendrin im Kärwagetümmel steht die Kirche Unsere Liebe Frau, deren Türen weit geöffnet sind: „Das ist mir eine besondere Freude“, versichert Pfarrer Andreas Eckler. Viele Menschen nutzen das Angebot und kommen für einen Augenblick der Stille hinein. „Am Sonntag habe ich vier, fünf Stunden in der Kirche verbracht und mit vielen Leuten gesprochen“, sagt der 64-Jährige, den Lärm und Musik nicht stören: „Wenn wir die Türen auf haben, dann spürt man sogar den Luftzug des ,Wellenflugs‘“.
Und dann verrät er, dass er sich selbst jedes Jahr mit dem Kettenkarussell in die Luft tragen lässt: „Einmal will ich wieder an unserer Kirche vorbei fliegen“, plant er vergnügt.
Johann Gollner (19) geht in die K 13 des Schliemann-Gymnasiums, der vielleicht einzigen Schule im Land, vor deren Pforten ein Kinderkarussell seine Runden dreht. An Schulaufgaben mit Getröte und Trara ist er gewöhnt: „Man findet sich damit ab“, sagt er und mag es, dass „man sich in der Mittagspause einmal quer durch die Kirchweih futtern kann.“ Unmittelbar vor Annika Lundmarks Fußpflege-Studio „Frohe Füße“ in der Nürnberger Straße gibt es in den Buden Unentbehrliches für den Haushalt. Die gebürtige Schwedin ist froh über eine Lücke vor dem Geschäft: „Im ersten Jahr war ich komplett eingebaut“, erinnert sie sich. Ein Anruf bei der Stadt half. Seither ist ihre Eingangstür luftiger umbaut.
Mehr zur Kirchweih auf den Seiten 3 und 5, Bildergalerien unter: www. fuerther-nachrichten.de