Wahl in Fürth: Jubelnde Grüne, betretene Genossen
26.5.2019, 22:17 UhrEuphorische Grüne, daran ist man gewöhnt, seit sich die Partei im steten Steigflug befindet. In Fürth aber erreicht die Stimmung gegen 18.20 Uhr einen unerwarteten Höhepunkt. "Fürth wird grün!" ruft da der örtliche Grünen-Chef Florian Braunreuther seinen rund 40 Parteifreundinnen und -freunden zu, die zur Wahlparty in die "Diele" des Babylon-Kinos an der Nürnberger Straße gekommen sind.
Fürth grün? In der traditionellen SPD-Hochburg? Mit einem als unschlagbar geltenden SPD-Oberbürgermeister? "Man muss schon eine Marke setzen", sagt Braunreuther auf Nachfrage – und in diesem Satz spiegelt sich das neue, das vor Kraft strotzende Selbstbewusstsein der Öko-Partei. Auch in Fürth.
Die Ergebnisse aus den Wahllokalen, die nach und nach aus dem Netz an die Wand projiziert werden, verblüffen in der Tat und sorgen für noch bessere Laune. Die hatte sich schon um kurz nach 18 Uhr, bei Bekanntgabe der für die Grünen formidablen Prognose fürs gesamte Bundesgebiet, in frenetischem Jubel Bahn gebrochen hat.
Kopf an Kopf
Immer mehr Fürther Stimmbezirke färben sich grün, manche sattgrün: 38,4 Prozent in der VHS, 44,2 Prozent in einem der Lokale am Helene-Lange-Gymnasium. Ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Grünen und CSU bahnt sich an, das die Christsozialen am Ende mit 28,0 Prozent doch für sich entscheiden; die Grünen kommen auf stolze 24,8 Prozent.
Erschütternd fallen hingegen die Zahlen für die SPD aus, 14,1 Prozent stehen unter dem Strich, fast eine Halbierung gegenüber der EU-Wahl 2014. Selbst in früheren SPD-Bastionen wie dem Eigenen Heim oder Stadeln sieht es nicht viel besser aus.
Die Fürther Grünen-Landtagsabgeordnete Barbara Fuchs scheint das Mitleid zu packen. "Ich wünsche mir eine stärkere SPD", sagt sie etwas überraschend. "Und dafür keine AfD."
Hätte man das bei den Fürther Sozialdemokraten gern gehört, die sich derweil in der Max-Seidel-Begegnungsstätte der Awo in der Hirschenstraße versammelt haben? Oder hätte man derlei Mitgefühl empört zurückgewiesen? Mit Europa-Fähnchen, roten Luftballons und einem Büfett für die geschlauchten Wahlkämpfer stimmt sich die Partei ein, doch schon bei der ersten Prognose sackt der Stimmungspegel in den Keller.
Angesichts des nächsten miesen Ergebnisses schlagen sich die Genossen und Genossinnen die Hände vors Gesicht. "Das ist hart", sagt Europa-Kandidat Matthias Dornhuber, "damit habe ich nicht gerechnet."
Der 36-Jährige sieht seinen Kreisverband als Opfer des bundesweiten Trends. "Was die Großwetterlage vorgibt, kannst du im Wahlkampf auf der Straße nicht aufholen." Dornhuber wird nicht ins EU-Parlament einziehen. Seine Partei hätte dafür deutlich über 30 Prozent kommen müssen, womit er ohnehin nicht gerechnet hatte. "Was wirklich schmerzt, ist", sagt er, "dass das, wofür wir stehen, nicht bei den Menschen angekommen ist: ein soziales Europa, Frieden und echter Klimaschutz."
Auch Oberbürgermeister Thomas Jung gibt zu: "Das ist schon deprimierend, das tut mir wirklich weh." Vor den Kommunalwahlen ist ihm trotzdem nicht bange. Der Mann, der seine Partei bei den letzten Urnengängen in Fürth jeweils souverän zur absoluten Mehrheit im Stadtrat geführt hat, erwartet 2020 auf kommunaler Ebene ein anderes Bild. "Dann werden wir wieder überall rote Stimmbezirke sehen, davon bin ich fest überzeugt."
Beim Wahlstammtisch, zu dem die CSU im Grüner Brauhaus geladen hat, ist die Stimmung unterdessen durchwachsen. Knapp ein Dutzend Parteifreunde füllen nur etwas mehr als einen von drei reservierten Tischen. "Wir haben uns bewusst für eine gemütliche Runde entschieden", sagt der Kreisvorsitzende Michael Au. Schließlich könne jeder die Entwicklung auf dem Smartphone verfolgen.
Und das Ergebnis? Es hätte schlimmer kommen können, so der Tenor – aber auch besser. Zufriedenheit herrscht darüber, dass die Union trotz der Verluste stärkste Kraft in Deutschland geblieben ist, und diesmal auch in Fürth führt, wo 2014 noch die SPD vorne gelegen hatte. Auch dass die Wahl der AfD kein Traumergebnis beschert hat, verbucht man als positiv.
Klare Gewinner sind auch im Landkreis die Grünen: Sie holen 20,3 Prozent, ein sattes Plus von 8,2 Prozent gegenüber 2014. 37,3 Prozent stehen für die CSU zu Buche, immerhin auch 3,3 Prozent mehr als vor fünf Jahren. Mit Manfred Weber habe seine Partei auf einen starken Spitzenkandidaten gesetzt, meint Landrat und CSU-Kreischef Matthias Dießl.
"Ein Riesensprung"
Und er empfindet es als beruhigend, dass extremistische Gruppierungen und Europakritiker "klar in der Minderheit blieben". Am meisten freut sich Dießl über die Wahlbeteiligung, die deutlich zugelegt hat – von 45,9 auf 64,9 Prozent. "Das ist ein Riesensprung." Dießl wertet das als klares Votum für Europa.
Die SPD, 2014 noch zweitplatziert mit 27,8 Prozent, rutscht weiter ab auf nur noch 12,3 Prozent – für den SPD-Kreisvorsitzenden Harry Scheuenstuhl enttäuschend, aber absehbar. "Die Ortsvereine waren draußen, wir haben stark plakatiert und viele Menschen erreicht" – und doch straften die Wähler die SPD deutlicher ab als alle Mitbewerber. "Jetzt muss endlich mal geliefert werden", keilt er gegen die SPD-Frontleute auf Landes- und Bundesebene.
Das heißt für Scheuenstuhl auch, deutlicher zu werden und direkter, etwa gegenüber den Grünen: "Wir müssen uns davon verabschieden, dass das unsere Freunde sind. Wir sind die Partei der Arbeiter und wollen, dass es den Menschen gut geht, und wir wollen die Natur schützen."
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