Zeitzeuge: Franz Lohrber ist Kleeblatt-Fan seit 90 Jahren

16.12.2019, 06:02 Uhr
Wer Franz Lohrber in seinem Zimmer im Helene-Schultheiß-Seniorenheim der AWO in Zirndorf besucht, weiß sofort, für welchen Verein sein Herz schlägt. Und zwar seit 90 Jahren. Haustechniker Herbert Bieberich (re.) organisiert die Besuche im Ronhof.

© Markus Eigler Wer Franz Lohrber in seinem Zimmer im Helene-Schultheiß-Seniorenheim der AWO in Zirndorf besucht, weiß sofort, für welchen Verein sein Herz schlägt. Und zwar seit 90 Jahren. Haustechniker Herbert Bieberich (re.) organisiert die Besuche im Ronhof.

"Wann gehen wir wieder ins Stadion?" Mit großen Augen blickt Franz Lohrber zu Herbert Bieberich. Freude und Sehnsucht des 92-Jährigen sind greifbar. Seine SpVgg, die ist ihm auch im hohen Alter noch eine Herzensangelegenheit. Kein Wunder bei jemandem, der die letzte Deutsche Meisterschaft der SpVgg Fürth 1929 noch direkt im Nürnberger Stadion miterlebt hat.

Die Lust auf Fußball treibt den Bewohner des Zirndorfer Helene-Schultheiß-Heims immer noch an. Doch allein wäre das nicht möglich. Herbert Bieberich ist Haustechniker und so etwas wie der Fanbeauftragte innerhalb des AWO-Heims. Gemeinsam mit Tanja Faltin, der Behindertenbeauftragten bei der SpVgg Greuther Fürth, hat Bieberich zwei Stadionbesuche organisiert – gegen Kiel und zum 265. Frankenderby.

Gegen Kiel fuhr der AWO-Kreisvorsitzende Frank Bauer seinen fußballbegeisterten Bewohner selbst ins Stadion. Bieberich war beide Male dabei. Für den AWO-Mitarbeiter ist es wichtig, den Bewohnern etwas Lebensfreude zu geben: "Ich will, dass die Leute zum Sport kommen und etwas Abwechslung bekommen."

Der Traum vom Frankenderby war in Gefahr

Doch der Derbybesuch stand in der Schwebe. Ein Schlüsselbeinbruch nicht einmal zwei Wochen vor dem großen Spiel setzte Franz Lohrber zunächst außer Gefecht. Der große Traum, noch einmal das Spiel der Spiele in Fußballfranken zu erleben, ausgeträumt? Mitnichten.

"Franz hat so einen starken Willen, er wollte unter allen Umständen das Derby sehen", erzählt Bieberich. Die Heimmitarbeiter und der Arzt sahen das freilich mit Bedenken. Doch am Tag vor der Partie zeigte sich der Sohn eines Berliner Preußen stabil genug, nahm eigenständig sein Essen zu sich und setzte sich am Ende durch. Und überhaupt, ärztliche Ratschläge – Lohrber hört da geflissentlich weg. "Der Arzt ist Bayern-Fan, da lass ich mir nix sagen."

Eine Reichsmark Eintritt

Zudem schüttelt er noch heute lässig die Anekdoten früherer Derby-Erfolge aus dem Ärmel. Ein 2:2 im Ronhof am 23. Dezember 1945 schildert er ebenso detailliert mit Torschützen wie das 1:0 im April 1998 im Frankenstadion. Zwar sind die Erinnerungen an das Endspiel 1929, zu dem ihn der Vater im Alter von zwei Jahren mitgenommen hat, nicht mehr da, doch er weiß noch heute den Preis der Eintrittskarte: "Eine Reichsmark hat das damals gekostet."

Motivator vor dem Derby

Der Wille des Edelfans hat nicht nur alle im Heim beeindruckt. "Wir haben ein paar Tage vor dem Derby der Spielvereinigung ein Bild von Franz geschickt, das Tanja Faltin im Vorfeld des Spiels der Mannschaft als Motivation gezeigt hat", schildert Bieberich. Mit gebrochenem Schlüsselbein ging es also trotzdem in den Ronhof. Es war ein kleines Abenteuer – sowohl für den Senioren als auch für seine Betreuer.

Schon bei der Anfahrt sei Lohrber die Aufregung anzumerken gewesen. Im Stadion dann fragten Fans nach Bildern mit ihm, nachdem in der Halbzeit eine Grußbotschaft des Heims auf der Anzeigetafel erschienen war. Nur das Spiel selbst – das war nicht ganz nach dem Geschmack Lohrbers. Auch weil man eine Club-Anhängerin neben ihn gesetzt hatte. Als kurz vor Schluss Iuri Medeiros sogar die große Chance zum Sieg für Nürnberg hatte, sprang der Fürther fast hoch. Doch Torhüter Sascha Burchert verkürzte den Winkel entscheidend, der Portugiese schob daneben, es blieb beim 0:0.

Inniges Verhältnis zu Burchert

Für den Edelfan ein besonderer Moment, denn zu Burchert hat er ein besonders inniges Verhältnis. Der Vize-Kapitän kam bereits nach dem Kiel-Spiel zu Lohrber, herzte ihn und schenkte ihm sein Trikot. Das hängt seither über dem Bett. Auch nach dem Derby schaute Burchert kurz vorbei. Der stolze Senior dankte ihm für die Rettung des Punktes.

Verteidiger in der Reserve

Die Partien gegen Kiel und Nürnberg waren Lohrbers erste Besuche nach fast zehnjähriger Abstinenz. Von Kriegsende an bis 2009 war er regelmäßig auf der Nordtribüne, auch den großen Fürther Derbytriumph im Pokalspiel 2011 in Nürnberg hat er live miterlebt.

In den 30er-Jahren hat er selbst ein paar Spiele als Verteidiger für die Reservemannschaft des Kleeblatts bestritten. Er hat diese schöne Ära der SpVgg noch miterlebt. Nach wie vor hofft er auf Zeiten, die daran anknüpfen – sportlich und neben dem Platz. Zwar dürfe für Lohrber der Zusatz "Greuther" gut und gerne wegfallen, "aber der Name Playmobilstadion war noch schlimmer", findet er.

"Das nächste Mal, wenn wir gehen, gewinnen wir", ist sich Bieberich am Ende des Gesprächs mit den Fürther Nachrichten sicher. Franz Lohrber schaut entschlossen und nickt: "Ich will bis zum 270. Derby dabei bleiben und so viele wie möglich gewinnen. Es ist mein Lebensantrieb. Ohne Fußball wäre ich nicht mehr hier."

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