Altmühlfranken: Engpässe bei Arznei-Versorgung

30.4.2020, 05:59 Uhr
Altmühlfranken: Engpässe bei Arznei-Versorgung

© Matthias Hiekel/dpa

Lieferprobleme bei einzelnen Medikamenten bestünden schon "seit fünf Jahren", sagt Weigel. Egal ob in Markt- oder Einhorn-Apotheke: Schon jetzt bedanken sich Kunden "mit Naschereien oder Blumen" (Binkert) dafür, dass ihnen das gewünschte Medikament – oder ein gleichwertiger Ersatz – schließlich doch noch besorgt werden konnten.

Für Apothekerin Binkert ist "nach wie vor unerfreulich, dass der Pneumokokken-Impfstoff nur schwer erhältlich" sei.

Immer noch gebe es "Lieferengpässe" für Medikamenten-Wirkstoffe, die von Herstellern aus China oder Indien kommen (sollen).

Noch im Dezember hat die Liste nicht lieferbarer Arzneien 280 Medikamente umfasst. Aktuell in der Zeit der Corona-Krise sind es 374.

Ganz schwarz malen mochte die Apotheken-Sprecherin aber nicht. Binkert: "Wenn ich einen Wirkstoff nehme, der beispielsweise von 80 Herstellern angeboten wird, aber nur von zehn Herstellern lieferbar ist" – genau dann solle man diesen Wirkstoff eben nur von einem lieferfähigen Hersteller beziehen.

Gerade während der jetzigen Corona-Krise müsse die Apotheke nicht das exakt auf dem Rezept vermerkte Präparat besorgen. Da dürfe es auch ein wirkstoffgleicher Ersatz sein.

Der Grund: "Patienten sollen bereits beim ersten Apothekenbesuch versorgt werden." Bevor die Kunden diese die lange Wanderschaft von einer zur nächsten Apotheke antreten müssten.

Wie Apotheker Weigelt erklärt: "Unsere Mitarbeiter kämpfen sich ab." In der Markt-Apotheke wurde eine Mitarbeiterin praktisch komplett abgestellt, um mit Praxen zu telefonieren und "Wirkstoffe auszutauschen." So sollen Patienten doch noch geeignete Medikamente erhalten. Vorgabe und Erfahrung: "Noch nie hat ein Patient ohne Medikament unsere Apotheke verlassen", so Weigel.

Für Erleichterungen sorge in Apotheken die während der Corona-Zeit vorübergehende "Aufhebung der Rabattverträge". So könnten alternative, geringfügig teurere Medikamente leichter besorgt werden.

 

Zäpfchen statt Fieber-Saft

 

Ein großer Engpass herrsche im Moment bei Fieber senkenden Mitteln wie dem Benuron-Saft für fiebrige Kinder. Hier könne – je nach Alter der Kinder – auch auf Alternativen wie Zäpfchen oder Tabletten ausgewichen werden. Nach Rücksprache mit dem Arzt könne auch ein anderer Wirkstoff als der Verordnete gewählt werden.

Auf der Liste schwer lieferbarer Medikamente stehen auch Blutdrucksenker, Schilddrüsenmittel, Betablocker, Anti-Epilektika oder auch Schmerzmittel. Martin Weigelt: "Schildrüsenhormone waren schon ganz problematisch", ebenso "ein paar Antibiotika." Oder auch Diabetes-Arzneimittel. Weigel: "Das ist mal so oder mal so."

Ausdrücklich will Apothekerin Binkert beunruhigten Patienten Hoffnung machen. "Wir wollen deren Sorgen und Bedenken Ernst nehmen." Deshalb werde bei Lieferengpässen nach "anderen Herstellern, einer anderen Wirkstärke, Packungsgröße oder Darreichungsform" gesucht. In jedem Fall soll dem Apothekenkunden "eine Perspektive aufgezeigt werden". So auch das Ziel der Markt-Apotheke in Gunzenhausen.

Wenn aber doch eine Arznei bestellt werden müsse, könne diese Binkert zufolge anschließend per Bote zugestellt werden. Ohne Aufpreis. So könne gerade kranken und älteren Patienten der unnötige Gang oder die Fahrt zur Apotheke erspart werden. "Ältere Menschen sollen zuhause bleiben."

Die gute Nachricht: "Preiserhöhungen" habe es bei Medikamenten in der Corona-Krise bisher nicht gegeben. Ganz im Gegensatz zu Masken und Mundschutz, die sich weltweit verteuert hätten.

"Desinfektionsmittel dürfen wir jetzt selbst in der Apotheke herstellen." Einziger "limitierender" Faktor seien Binkert zufolge ausgerechnet die Flaschen. Keinen Sinn mache es, wenn Kunden stattdessen mit leeren Mineralwasserflaschen anrücken würden. "Oh Nein, die Gefahr einer Verwechslung im Haushalt wäre viel zu groß." Schließlich wäre dann 80-prozentiger Ethanol statt Wasser im Behältnis.

Wie Apotheker Weigel verrät, werde wegen Corona selbst hergestelltes Desinfektionsmittel im Moment "zum Einkaufspreis" verkauft. Ohne Berechnung der geleisteten Arbeitszeit.

Seit kurzem dürfen Apotheker für die Produktion auch "unversteuerten Alkohol" verwenden, was für Kunden billiger kommt. Weigel glaubt, dass bei der Versorgung mit Desinfektionsmitteln schon bald wieder "eine gewisse Normalität" eintreten werde.

Im Verkaufsraum der Einhorn-Apotheke sind die Mitarbeiterinnen mittlerweile hinter Plexiglas-Scheiben. "So fühlen wir uns sicherer." Ein bekannter Schreiner habe diese Plexi-Scheiben als Spuckschutz "über Nacht für uns gezimmert".

Plexiglas-Scheiben an der Kasse gibt es laut Weigel inzwischen in jeder Gunzenhäuser Apotheke. "Bei uns stehen sie schon seit Mitte März."

Die Liefer-Boten der Einhorn-Apotheke tragen bei der Medikamenten-Auslieferung selbst genähte "Community-Masken" als Schutz.

Entwarnung gab es bei der Klinik Altmühlfranken mit ihren Standorten in Gunzenhausen und Weißenburg. "Es gibt keine Probleme mit der Medikamentenversorgung", erklärte deren Sprecherin Julia Kamann nach Rücksprache mit dem Ärztlichen Direktor Dr. Christian Maue. Dies gelte auch für das andernorts knapp gewordene Narkosemittel Propofol. Die Vorräte verabreichter Medikamente reichten gut aus. Seit dieser Woche würden Klinik-Beschäftigte auch von Freiwilligen selbst genähte Mundschutze tragen.

Ärzte und Pflegemitarbeiter, die unmittelbaren Kontakt mit Corona-Patienten hätten, würden allerdings die hochwertigeren ffp3-Schutzmasken tragen. "Wir gehen sparsam damit um, aber es gibt keine Engpässe." Besonders erfreut registrierte die Klinik, dass sich auf einen Aufruf "mehrere Dutzend" ehemalige Pflegemitarbeiter sowie mehrere Ärzte gemeldet hätten. Denn deren Unterstützung könne in der Corona-Pandemie noch enorm wichtig werden.

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