Boote bauen wie die Römer: Sägearbeiten am Altmühlsee haben begonnen
24.1.2021, 07:13 UhrAuch wenn das Zitat aus der Früh-Antike dem griechischen Dichter Hesiod zugeschrieben wird, gilt es auch bei diesem mehr als außergewöhnlichen Projekt vor den Toren der Altmühlstadt. Klingt fast wie ein verfrühter Aprilscherz, ist aber Teil eines logistisch ausgefeilten Plans.
Altmühlsee: Bau des neuen Römerboots beginnt
Wie der Altmühl-Bote bereits mehrfach berichtete, plant die Erlanger Friedrich-Alexander-Universität (FAU) unter der Federführung von Boris Dreyer, einem Professor für Alte Geschichte, ein europaweites Projekt namens "Living Danube Limes". Im Mittelpunkt: eben dieses Boot, das direkt am Altmühlsee in mehr oder minder mühevoller Kleinarbeit entstehen soll.
Die Säge frisst sich durch den Eichenstamm
Kreischend frisst sich die motorbetriebene Säge durch den 21 Meter langen Eichenstamm. Am Ende sitzt ruhig und gelassen Thomas Lühring, der einer der wenigen, wenn nicht sogar der einzige in Deutschland ist, der ein mobiles Sägewerk sein Eigen nennt. Der 58-Jährige wohnt in Neustadt am Rübenberge, einer niedersächsischen 45.000-Einwohner-Stadt zwischen Bremen und Hannover. Er wird überall da gerufen, wo seine speziellen Fertigkeiten und Maschinen gefragt sind und ein stationäres Sägewerk nicht geeignet ist. So wie jetzt.
Auf über 22 Metern Länge hat der Säge-Profi sein mobiles Arbeitsgerät aufgebaut, genug Platz für einen mächtigen Stamm. Die ersten Bretter werden von den Helfern sanft auf den Boden gelegt. Insgesamt 18 Eichenstämme aus dem Reichswald bei Nürnberg liegen sauber geordnet am Rande eines Parkplatzes.
Der Zweckverband Altmühlsee gab grünes Licht für dieses einzigartige Bauvorhaben, eine große, noch zu errichtende Bootswerfthalle direkt am See soll es erleichtern. Die Europäische Union fördert das Projekt mit insgesamt 3,2 Millionen Euro, zehn Länder sind daran beteiligt. Für das Boot allein sind nach Dreyers Worten 900.000 Euro vorgesehen.
Thomas Lühring hat die europaweite Ausschreibung gewonnen und den Zuschlag erhalten. "Ist doch ne spannende Geschichte", sagt er mit typisch norddeutschem Idiom. Schon vor einigen Wochen sollte er eigentlich kommen, doch ein Unfall auf dem Weg nach Gunzenhausen verhinderte das.
Das ist mittlerweile Geschichte, alle Fachleute samt Equipment sind wohlbehalten im Fränkischen Seenland angekommen. Das THW Gunzenhausen stellte ein mobiles Starkstromaggregat und Scheinwerfer zur Verfügung, weitere Holzbootsbauer wurden akquiriert – wie etwa Andreas Gronau aus Holstein. Er hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, Rennjollen nach alten Plänen zu fertigen. Also genau der richtige Mann.
"Diese Technik hat sich kaum verändert"
"Ich mag die traditionelle Handwerkskunst", sagt er beispielsweise. Er langt hin, sagt im ruhigen Ton, wie er sich das so vorstellt, und der Professor hört genau zu. Ein anderer Spezialist ist Frank Jäcklein aus Regensburg. Der 50-jährige Bootsbauer hat bereits Erfahrungen im Bau von römischen Booten gemacht. "Diese Technik hat sich seit ihrer Einführung kaum verändert", sagt er.
Es geht darum, dass jede einzelne Planke mit einem Handhobel eingepasst werden muss. Das dauert, und so rechnen die Verantwortlichen mit einer gut einjährigen Bauzeit. Unterstützt werden sie von rund 70 Freiwilligen "aus allen gesellschaftlichen Schichten", wie Professor Dreyer stolz erklärt: Pensionäre und Rentner, aber auch Ingenieure, Ärzte, Pfleger und Schreiner sind dem Aufruf zur aktiven Mitarbeit gefolgt.
Einer davon ist Ruhestandspfarrer Günter L. Niekel aus Muhr am See. "Ich mache gerne Zimmermannsarbeiten", erzählt der praktisch veranlagte Theologe. Jetzt steht er da im blauen Overall, dicke Handschuhe, FFP2-Maske im Gesicht und wartet auf das nächste Kommando.
"Living History" nennt der Althistoriker Dreyer sein Unterfangen und betont, dass der Nachbau "auf streng wissenschaftlicher Basis erfolgt". Funde römischer Boote dienen als Anschauungsmaterial und Ausgangspunkt des Rekonstruktionsbaus. In Mainz wurde ein solches Boot vom Typ Lusora gefunden, "das dient uns als Vorlagengeber", sagt Dreyer.
Nut- und Federbauweise typisch
Aber nicht nur Konstruktion und Optik sollen stimmen, auch römische Handwerksmethoden sollen, soweit es möglich ist, nachempfunden werden. Kennzeichen eines solchen Bootes ist die Nut- und Federbauweise. Es hat eine glatte Außenhaut, aber keinen Kiel, und es wurde im römisch besetzten Süddeutschland, der damaligen Provinz Raetien, mit Eiche und Kiefer aus der Region gebaut.
Der Nachbau verläuft ähnlich, "ist aber völlig aus Eiche und wird allein mit Spanten und mehr als 4000 Eisennägeln zusammengehalten", so Boris Dreyer. Das Boot wird 18 Meter lang sein und etwa sechs Tonnen schwer werden.
Ein Nachbau, die "Fridericiana Alexandrina Navis", kurz: FAN, existiert bereits und wurde auch schon mehrfach auf dem Altmühlsee getestet. Besucher können die beiden Boote ab Sommer 2022 besichtigen und mitfahren. Und eines fernen Tages wird damit Europa auf dem Wasserweg durchquert werden. Start- und Ausgangspunkt: der Altmühlsee bei Gunzenhausen. Aber vorher wird noch viel Schweiß fließen...
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