Gunzenhausen: An diesem Samstag frisiert Inge Hofer den letzten Kunden

16.06.2018, 06:24 Uhr
Gunzenhausen: An diesem Samstag frisiert Inge Hofer den letzten Kunden

© Tina Ellinger

1959 eröffnete Friseurmeister Karl Hofer, vielen in der Altmühlstadt als der "Figaro" bekannt, in der Waldstraße seinen ersten Salon. Fünf Jahre später stieg Ehefrau Inge mit ein. Sie hatte ihr Handwerk in ihrer Heimatstadt Wassertrüdingen erlernt und nach der Lehre eine Stelle in Ansbach angetreten. Dort, bei einem Kurs von L’Oréal, lernten sich die beiden kennen. Nach dem gemeinsamen Besuch des Friseurfaschingsballs in Ansbach ging es ziemlich schnell: "Schon nach drei Wochen haben wir von Verlobung gesprochen", erinnert sich Inge Hofer schmunzelnd. Auch die Hochzeit ließ nicht lange auf sich warten, im Juli 1964 war es soweit.

"Echte Damen"

Spätestens mit der Heirat war klar, dass sie künftig im Salon ihres Mannes arbeiten würde. "Er war damals noch mehr Damenfriseur", erzählt sie von den "echten Damen", die zu dieser Zeit regelmäßig einmal in der Woche zum Waschen und Legen kamen. "Die durfte ich nicht gleich frisieren, ich musste erst ein paar Mal bei ihm zusehen. Auch bei einigen Herren war das so."

1967 zog der Salon in die Bahnhofstraße um, 1984 erfolgte der Neubau in der Osianderstraße. Schon 1969 hatte auch Inge Hofer ihren Meister gemacht: "Ich war bei der Meisterfeier die einzige Frau und die einzige Friseurin", weiß sie noch und holt stolz ihr Meisterstück — ein handgemachtes Perückenteil — hervor: "Das war eine Eins!"

Das Herstellen von Perücken und Toupets gehörte früher ganz selbstverständlich zu ihrem Handwerk und war auch Bestandteil der Ausbildung. Heute werde darauf weniger Wert gelegt. Und noch etwas hat sich geändert: "Früher musste man gut frisieren können, heute muss man vor allem gut schneiden", so ihre Erfahrung. Auch die "Wochenkundinnen" gibt es kaum noch, die Schnitte — plus Hilfsmittel wie Fönstab und diverse Aufsätze — seien jetzt so, dass die Kunden ihre Haarpracht auch zuhause hinbekommen. Eine gut frequentierte Anlaufstelle war der Friseursalon Hofer auch während des Faschings: Bärte kleben und Gesichter schminken stand auf dem Programm. Zur Kirchweih dann gab Karl Hofer dem Gambrinus den letzten Schliff.

Über 50 Lehrlinge erhielten in dem Gunzenhäuser Betrieb eine fundierte Ausbildung und haben danach immer eine Stelle gefunden. "Sie wurden gerne genommen", betont die Friseurmeisterin, die nun seit über 50 Jahren fast tagtäglich im Dienst ihrer Kunden steht. "Ich habe immer mitgearbeitet, auch als die Kinder klein waren. Die waren eben im Geschäft dabei, und wenn’s pressiert hat, wurden sie schon mal einem Kunden auf den Schoß gesetzt," meint sie pragmatisch. Mutterschutz oder Elternzeit gab es für die dreifache Mutter nicht. Während sich die beiden Jungs Andreas und Markus beruflich anders orientierten, fand Tochter Karoline ebenfalls Gefallen am Friseurhandwerk.

"Seelentröster der Frauen"

Auch sie wurde zur Meisterin ihres Fachs und stieg in den elterlichen Betrieb ein. "Wir waren der einzige Salon mit drei Meisterbriefen." Aus gesundheitlichen Gründen musste sich die Tochter jedoch nach einigen Jahren wieder aus dem Geschäft zurückziehen: "Da machten wir eben alleine weiter." Jammern gilt nicht bei Inge Hofer. Auch als ihr Mann, der 2013 mit dem Goldenen Meisterbrief ausgezeichnet wurde, im November 2017 unerwartet stirbt, sperrt sie kurz darauf den Laden wieder auf. Sie wollte weiterhin für ihre Kunden, denen sie sehr dankbar für die langjährige Treue ist, da sein. In all den gemeinsamen Jahren hat man ja so manches erlebt und gehört, gilt der Friseursalon doch nicht von ungefähr als Umschlagplatz für Neuigkeiten. "Und ein bisschen sind wir auch die Seelentröster für die Frauen", weiß sie.

Nun aber steht ihr 74. Geburtstag an, und zusammen mit den Kindern wurde der Entschluss gefasst, endgültig aufzuhören. Am heutigen Samstag frisiert Inge Hofer ihre letzten Kunden, dann endet — spätestens mit dem Hausflohmarkt eine Woche später, am Samstag, 23. Juni, von 9 bis 18 Uhr — die "Figaro"-Geschichte in Gunzenhausen.

Doch schon bald wird neues Leben in den Salon einziehen: Ein Pächter wurde gefunden, der nach Umbau und Neugestaltung die Friseurtradition an dieser Stelle fortsetzen wird.

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