Gunzenhäuser sorgen sich um ihren Bahnhof
17.04.2011, 17:12 Uhr
In Gunzenhausen soll es nicht so weit kommen wie in Weißenburg, wo der Bahnhof ohne Vorinformation des Stadtrats an ein luxemburgisches Unternehmen verkauft wurde – und seither vor sich hingammelt. Den Gunzenhäuser Grünen gebührt Respekt, dass sie sich der leidigen Angelegenheit annehmen, die seit Jahr und Tag die Aktenordner im Rathaus füllt.
Es geht um die künftige Nutzung des Bahnhofsgebäudes, wo heute nur mehr ein Stellwerker Dienst schiebt, die Bahnhofsbuchhandlung und das „Bahnhofsstübchen“ ihre Geschäfte machen. Sonst aber herrscht „leere Hose“ im Umfeld der Bahn. Die Schalterhalle und die Außenanlagen verkommen mit der Zeit, wenn nichts geschieht.
"Bahnhofsparty"
Den Gunzenhäusern ist ihr Bahnhof nicht gleichgültig, den meisten jedenfalls. Bürgermeister Joachim Federschmidt, Stadträte der SPD und FW waren zur „Bahnhofsparty“ der Grünen gekommen, nicht aber die eingeladenen Vertreter der CSU, FDP und die Repräsentanten der Wirtschaft. Natürlich fehlte auch die Bahn AG, immerhin war mit Siegfried Wagenländer aus Treuchtlingen der mittelfränkische Bezirkschef der Fahrgastorganisation „Pro Bahn“ gekommen.
Der aber ist Lobbyist der Fahrgäste und nicht des Unternehmens. Mehr Leben im Bahnhof Eigentlich wollten die Grünen den Bahnhof so richtig beleben, also Infostände in der Schalterhalle aufstellen und andere Aktionen machen. Aber sie wollten „keinen Streit vom Zaun reißen“ (Ortsvorsitzender und Stadtrat Christoph Mötsch), schließlich dürfen nicht einmal die Pächter der Bahn dort Plakate aufhängen, um für sich zu werben.
Rettung durch privaten Investor?
Geblieben ist also „Inge’s Bahnhofstübchen“, in dem sich an die 40 Bahnfrustrierte trafen. Was Inge Wagler in den letzten fünf Jahren aus der Lokalität gemacht hat, das ist allen Ehren wert. Sporadisch sind Livekonzerte und der Biergarten wird im Sommer ganz gut angenommen.
Grünen-Stadtrat Peter Schnell: „Sie bringt Leben in den Bahnhof, mit Veranstaltungen, die kostenlos sind, und das ist im höchsten Grad zu loben.“ Seine Vorstellung, wie es weitergehen könnte: „Am besten wäre wohl ein privater Investor, der ein Nutzungskonzept hat. Das gibt es andernort schon, aber in ganz Mittelfranken noch nicht.“
Ohnmacht vor dem Automaten
Helga Betz, die Stadträtin der Grünen, hat bisher ihr schauspielerisches Talent im Verborgenen gelassen, doch ihr improvisierter Sketch zusammen mit Siegfried Wagenländer offenbarte ihre bis dato unbekannte Begabung. Geradezu bühnenreif war ihr Auftritt, der zeigen sollte, wie ohnmächtig die Bahnkunden dem Fahrkartenautomaten gegenüberstehen, wenn sie keine „geübten“ Bahnfahrer sind.
Einen individuellen Beratungsservice am Bahnschalter gibt es schließlich schon seit vielen Jahren nicht mehr. Wie sehr sich seine Vorgänger bemühten, mit der Bahn ins Gespräch zu kommen, und er selbst am Ball ist, das schilderte Rathauschef Joachim Federschmidt der Gesprächsrunde.
Schriftverkehr seit 1923
Der Schriftverkehr mit der Bahn füllt inzwischen etliche Aktenordner. Was drin steht, das bezieht sich meist auf das gleiche: die Sauberkeit am Bahnhof. Sie ist ein immerwährendes Problem. Kaum zu glauben: der erste Brief in dieser Sache ist 1923 geschrieben worden.
Federschmidt räumt ein, dass es für ihn „ein Schock“ war, als er vor Jahren hören musste, der Gunzenhäuser Bahnhof stehe auf einer Verkaufsliste. Zwischenzeitlich ist sogar der Erwerb durch die Stadt mit den Bahnverantwortlichen besprochen worden, aber seit geraumer Zeit ist wieder Funkstille. Der Stand der Dinge heute: die Bahn will den Bahnhof in den nächsten Jahren selbst umbauen und vermieten.
Federschmidt frustriert: „Ich habe wiederholt nachgehakt, aber keine Antwort bekommen.“ Er verspricht, dass die Stadt die Angelegenheit nicht aus dem Auge verlieren wird.
Schwieriger Kontakt mit Bahn
Was den Kontakt mit der Bahn AG absolut erschwert, ist der Kompetenzdschungel, denn nach der Privatisierung des einst bundeseigenen Unternehmens (der Bund hat auch heute noch die Aktienmehrheit) gibt es eigene Firmen für den Service, die Strecken, die Gleise, den Regionalverkehr, den Fernverkehr und die Immobilien.
Zu den Forderungen gehört seit langem der Einbau eines Aufzugs am Gunzenhäuser Bahnhof, zumindest aber einer Rampe, um den Menschen mit einer Gehbehinderung das Bahnfahren zu ermöglichen. Personal, das einem Rollstuhlfahrer helfen könnte, gibt es ja seit vielen Jahren nicht mehr.
Stadt kann nichts tun
Robert Walch enttäuscht: „Wenn Bahnmitarbeiter da wären, gäbe es das Problem nicht. Das ist traurig, wo es doch in unserem Land so viele Leute gibt, die keine Aufgabe haben.“ „Selbst wenn die Stadt wollte, sie kann nichts tun“, sagt Federschmidt und verweist auf die rechtlichen Verhältnisse, wonach die Stadt auf dem fremden Bahngrund nicht tätig werden darf.
Und: „Die Bahn hat sogar die Planungshoheit, sie will auch nicht, dass ihr Gelände von der Stadt verplant wird.“ Daher Federschmidts Einsicht: „Uns wäre es inzwischen am liebsten, die Bahn hätte uns den Bahnhof verkauft.“ An Ideen mangelt es nicht, den Bahnhof kreativ zu nutzen. Von Kleinkunst, Ticketshop, Kulturcafé, Infobörse für Touristen bis zum Fahrradverleih geht die Palette von Vorschlägen.
"Gunzenhausen 22"
Manfred Pappler von der CSU schwärmt vom Spalter Kulturbahnhof als Vorbild. Es muss ja nicht gleich die Bahnhofsbesetzung sein. Ingrid Reule nimmt dennoch bei den mutigen Stuttgartern (sie kämpfen gegen das Projekt „Stuttgart 21“) eine Anleihe: „Man muss eine Vision haben. Wir brauchen Gunzenhausen 22.“
Nicht eben gut zu sprechen auf die Bahnveranwortlichen ist Siegfried Wagenländer von „Pro Bahn“: „Als die Bahn noch Staatsunternehmen war, hat es auch schon Halbgötter gegeben, aber immerhin ist damals etwas gegangen.“ Für die Gunzenhäuser hat er einen Trost parat: „Ihr seid nicht die Einzigen und Ersten, die mit der Bahn AG Probleme haben.“
Bleibt zu hoffen, dass das Thema nicht auf den Sankt Nimmersleistag verschoben wird. Oder sollten doch jene Kritker recht behalten, die meinen, die Bahnleute seien gar nicht an einem schnellen Verkauf der Immobilien interessiert, da ihnen somit allmählich die Daseinsberechtigung entzogen würde. Heutzutage kämpft ja schließlich jeder um seinen Arbeitsplatz.
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