In Arberg aus der Geschichte lernen

Tina Ellinger

Altmühl-Bote

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26.1.2020, 07:01 Uhr
In Arberg aus der Geschichte lernen

© Tina Ellinger

Selbstlos und unter großem persönlichen Risiko bewahrte die Katholikin Kreszentia Hummel das Mädchen Charlotte vor der Verfolgung durch die Nationalsozialisten, indem sie sie als ihr uneheliches Kind ausgab. Nur der damalige Ortspfarrer Josef Scheiber wusste davon und unterstützte das Vorhaben. Im Ort selbst kannte lange niemand die Wahrheit um das Kind, das viele Jahre später Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland werden sollte.

"Der Pfarrer hielt komplett dicht, die Arberger wussten nichts", erklärt Dr. Armin Scherb, selbst ein Arberger und Professor an der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg (FAU). Schon seit geraumer Zeit liegt ihm die Menschenrechtsbildung am Herzen, und er legt im Fach Didaktik der Sozialkunde großen Wert auf die Schwerpunkte "Politischer Extremismus" und "Menschenrechte". Jedes Jahr lädt er zu entsprechenden Seminaren auf den Hesselberg ein – den Ort, den die Nationalsozialisten für ihre Zwecke instrumentalisierten. Es gehe ihm darum, angehende Sozialkunde-Lehrer entsprechend auszubilden, um deren Schüler immun gegen extremistische Propaganda zu machen.

Dazu komme, dass die FAU mit zwei Fakultäten in Nürnberg beheimatet ist, einer Stadt, die sich mit Erfolg bemühe, ihre Geschichte als Stadt der Reichsparteitage aufzuarbeiten und gleichzeitig auf dem Weg sei, zur Stadt der Menschenrechte zu werden. Auf der Achse zwischen diesen beiden Orten – dem Hesselberg und Nürnberg – liegt sozusagen als Lichtblick Arberg, wo eine mutige Frau ein kleines jüdisches Mädchen vor den Nazis rettete. Für Scherb liegt es daher auf der Hand, hier ein Projekt für außerschulische Politische Bildung zu etablieren und Lernmöglichkeiten vor Ort zu bieten – etwa exemplarisch an den Biografien der beiden Frauen. "Ziel ist es, die Vergangenheit aufzuarbeiten und sich der Zukunft zu stellen", macht der Dozent deutlich.

"Klein, aber fein"

Als Lernort hat er in Absprache mit Bürgermeister Jürgen Nägelein das Wahrzeichen Arbergs auserkoren: den Torturm, einst Teil der mittelalterlichen Befestigungsanlage, dann bis 1964 als Rathaus genutzt. Die bauliche Sanierung des historischen Gebäudes ist so gut wie abgeschlossen, für die marode Mauer am Treppenaufgang und das Geländer werden gerade Angebote eingeholt, erzählt der Bürgermeister.

In Arberg aus der Geschichte lernen

© Tina Ellinger

Wegen des Brandschutzes darf nur die erste Etage des Turms für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Auf den etwa 25 Quadratmetern, die bereits mit ein paar geeigneten Lernmöbeln aus einer Ausstellung in Bad Windsheim ausstaffiert sind, wird dann Platz für zehn bis 15 Leute sein. "Klein, aber fein", lautet hier das Motto von Scherb und Nägelein für das ehrgeizige Vorhaben, für das nun noch die technischen Voraussetzungen erfüllt werden müssen.

Schließlich soll hier mit neuen Medien gearbeitet werden können, sprich WLAN, Laptops und ein großer Bildschirm stehen auf der Wunschliste des Professors. Die technische Beratung für das Projekt liegt in den Händen von Dr. Mathias Rösch, Leiter des Schulmuseums in Nürnberg. Das nötige Geld dafür hofft Scherb unter anderem über verschiedene Institutionen wie die Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern oder auch die Entwicklungsgesellschaft Region Hesselberg zu bekommen. Letztere ist vor allem bei der Anschaffung einer Bronzefigur "Mutter mit Kind" gefragt, die im Außenbereich aufgestellt werden soll.

Turm als Ausgangspunkt

Geplant ist, den gesamten Ort einzubinden: Der Torturm dient, so die Idee von Armin Scherb, als zentraler Punkt, von dem aus eine historisch-politische Wanderung startet. Vorbei an eben erwähnter Bronzefigur führt der Weg zum Wohnhaus der 2002 verstorbenen Kreszentia Hummel, weiter zur Kirche, wo eine Gedenktafel an die Katholikin und Pfarrer Scheiber erinnert, und zum Abschluss geht es zur Schule, wo ebenfalls Informationsmaterial wartet und Gelegenheit ist, Fragen zu diskutieren. Und hier schließt sich dann auch der Kreis zum Thema Kinderrechte, so Scherb weiter: vom Kind, das damals gerettet wurde, bis zu den Kinderrechten heute.

Zielgruppen sind Lehrer, Studenten, Schulklassen und "alle anderen Interessierten. Es ist offen für jeden", betont der Initiator, der die kontinuierliche Betreuung des Projekts selbst übernehmen und dabei eventuell vom örtlichen Kunst- und Kulturverein unterstützt werden wird.

Als zeitlichen Rahmen hat sich der engagierte Arberger vorgenommen, bis zum diesjährigen Volkstrauertag seine Pläne in die Tat umgesetzt zu haben. Und dann kann an diesem Tag die erste Wanderung durch Arberg starten – gegen das Vergessen.

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