Tourismus im Seenland: "Es ist dramatisch"

5.4.2020, 17:13 Uhr
Tourismus im Seenland:

© Jürgen Leykamm

  Zwar seien er und seine Mitarbeiter vom Coronavirus und den Ausgangsbeschränkungen ebenfalls betroffen, die viele Arbeit, die sie im Januar und Februar auf diversen Messen geleistet hätten, um für das Seenland zu werben, sei weitgehend sinnlos gewesen, viele Prospekte umsonst gedruckt: "Aber das sind nur Zahlen. Viel schlimmer ist es für die Betriebe, die sind meist ohnehin finanziell nicht auf Rosen gebettet."

Das Ostergeschäft falle komplett aus, sagt Niederprüm, und wenn man wisse, dass von jährlich gut einer Million Übernachtungen bis zu 120 000 in diese Zeit fallen, könne man sich leicht ausrechnen, "dass zehn bis zwölf Prozent des Jahresumsatzes schon jetzt fehlen". Und der Fachmann wagt eine düstere Prognose: "Es wird wohl einige Betriebe erwischen."

Denn das Problem der Hotellerie und Gastronomie sei: "Man kann den Umsatz nicht nachholen." Der Einzelhandel könne hoffen, dass die Kunden nach der Krise umso eifriger einkaufen und so Umsatzverluste zumindest teilweise ausgleichen. Ein Urlauber aber könne nun mal nur eine Mahlzeit essen und in einem Zimmer schlafen: "Dieses Minus jetzt wird uns das ganze Jahr beschäftigen", sagt Niederprüm.

Kostenfrei stornieren

Nachdem Ministerpräsident Markus Söder am Montag die Allgemeinverfügung bis 19. April verlängert habe, gelte das bestehende Vermietungsverbot nun offiziell bis zu diesem Stichtag – und die Urlaubsgäste könnten für die Osterferien gebuchte Unterkünfte deshalb kostenfrei stornieren. Das mache es für die Kunden leichter – und für die Betreiber der Unterkünfte noch schwieriger.

Auch Oliver Röhrl, Hoteldirektor im Strandhotel Seehof in Langlau, ist seit Tagen am "Herumrechnen", sagt er. Alle Buchungen wurden storniert, sowohl Urlaubsübernachtungen wie auch Tagungen, Hochzeiten, Feste, der sonntägliche Brunch. Das Hotel ist leer, die meisten Mitarbeiter sind jetzt in Kurzarbeit, und ob überhaupt die Saisonarbeitskräfte aus dem Ausland kommen dürfen, ist noch unklar.

"Wir müssen natürlich trotzdem die Saison planen und spielen dabei verschiedene Szenarien durch. Wir sind derzeit optimistisch und rechnen damit, im Mai wieder starten zu können", hofft Röhrl. Würde sich die Allgemeinverfügung noch auf weitere Monate ausdehnen, hätte das Hotel "ganz, ganz große Probleme".

Aber selbst wenn es bald wieder losgehen kann: Die bisherigen finanziellen Einbußen könne man nicht wieder aufholen, selbst wenn es eine richtig gute Saison wird. "Wir haben ja in den Sommermonaten Auslastungen von über 90 Prozent, da geht nicht viel mehr." Anders ausgedrückt: Der Kuchen wird nicht größer, und ein deftiges Stück fehlt jetzt.

Auch bei der MS Brombachsee werden derzeit reihenweise Tickets an die Gäste zurückerstattet. "Wir hatten im März und April schon einige Großveranstaltungen geplant, die meisten waren auch schon ausgebucht", berichtet Betriebsleiterin Dagmar Wilken. Ü30-Partys, Sonntags-Brunch, ein neues Musikformat, der Familien-Erlebnistag. Und am 24. April wäre anlässlich der Feierlichkeiten zu 50 Jahren Landtagsbeschluss des Fränkischen Seenlandes große Politprominenz auf dem Schiffsdeck aufgelaufen: Markus Söder und Ilse Aigner hatten zugesagt. "Das ist alles sehr frustrierend", sagt Wilken.

Die Erlebnisschifffahrt kann die derzeitigen Verluste nicht wieder reinfahren, ist die Betriebsleiterin sicher. Trotz Kurzarbeit der Mitarbeiter fehlen die Einnahmen – gerade auch der Osterzeit –, und die laufenden Kosten fallen ja trotzdem an. "Wenn wir am Ende des Jahres 20 Prozent weniger Umsatz haben, haben wir noch Glück gehabt." Zumal man ja auch nicht wisse, inwieweit die Beschränkungen überhaupt gelockert werden oder welche Regelungen dann mittelfristig weiter gelten. "Können wir überhaupt wieder so arbeiten, wie es vor Corona der Fall war? Da kann man nur spekulieren."

Die derzeitige Situation der Branche beschreibt Niederprüm als "Totalausfall", die etwa zwei bis maximal fünf Prozent Geschäftsreisenden, die noch Zimmer suchten und buchten, seien nicht mehr als der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Zumal sich das in der Praxis für viele Hoteliers nicht lohnt: "Für die paar Ausnahmen können wir nicht den gesamten Hotelbetrieb aufrechterhalten", sagt Oliver Röhrl vom Strandhotel Seehof.

 

"Richtig präsent"

 

Mit seinem aus Infektionsschutzgründen in zwei Schichten aufgeteilten Team bereitet sich Niederprüm deshalb umso intensiver auf die Nach-Corona-Zeit vor: Durch das Herunterfahren der PR-Aktivitäten habe man etwas Geld gespart, das man nun umschichten werde: "Wir bereiten eine Social-Media-Kampagne vor, mit der wir dann richtig präsent sein wollen", sagt der Tourismus-Profi. Den ein seit einiger Zeit registrierter Trend ein wenig hoffnungsvoll stimmt: Meinungsforscher hätten ermittelt, dass der Urlaub im eigenen Land zunehmend attraktiv werde: "Das könnte uns im Sommer und Herbst helfen."

Das macht auch dem Hoteldirektor vom Seehof Hoffnung. Die Notbesetzung an der Rezeption nimmt schon jetzt wieder Buchungen für den Sommer und Herbst entgegen. "Ich glaube, dass gerade die Städter nach der Zeit der Ausgangsbeschränkungen unbedingt rauswollen", vermutet Röhrl. "Dann kann das Jahr noch gut werden, und vielleicht sind die Menschen danach sogar insgesamt entspannter und gehen friedvoller miteinander um, auch zum Beispiel mit dem Personal in der Gastronomie."

In der Zwischenzeit hilft wohl nur Durchhalten – und auch mal eine Prise Humor: Ruft man derzeit die Website des Fränkischen Seenlandes auf, wird man mit einem augenzwinkernden Tipp begrüßt: "Wer nicht aufs Wasser verzichten will", heißt es da: "Händewaschen ist der beste Wassersport, den Sie momentan machen können. Bleiben Sie gesund!"

 

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