Zentrum für Altersmedizin in Gunzenhausen

27.11.2019, 06:01 Uhr
Zentrum für Altersmedizin in Gunzenhausen

© Barbara Formann


In rund fünf Monaten werden aller Voraussicht nach die letzten Baustellen geschlossen, aber schon jetzt erfuhren politische Mandatsträger wie Landrat Gerhard Wägemann und die beiden Landtagsabgeordneten Manuel Westphal (CSU) und Wolfgang Hauber (Freie Wähler) sowie weitere Netzwerkpartner, was künftige Patienten erwartet.
Dazu gehören an erster Stelle der zweite Bettentrakt mit 25 Betten in der künftigen Akutgeriatrie, und 30 Betten für die Reha-Geriatrie, erklärte Andrea Kramp, Kaufmännische Klinikdirektorin. Obwohl dem Alter per se kein Krankheitswert zukommt, werden ältere und vor allem hochaltrige Menschen ab 80 Jahren häufiger krank oder müssen sich einschränken, informierte Dr. Markus Wach, der Leitende Facharzt für Geriatrie.

Wach ist kein Unbekannter in der Region, hat er doch viele Jahre die Altersmedizin im ehemaligen Treuchtlinger Stadtkrankenhaus geleitet und baut diese jetzt in Gunzenhausen verantwortlich mit auf. Der 53-jährige erfahrene Internist erzählte vom „Traum der ewigen Jugend“, von Menschen, die mit über 80 Jahren nach Nepal reisen oder einen Achttausender besteigen wollen. Kurzum: nicht wenige ältere Menschen leben mehr oder minder komplett ohne jegliches Medikament. „Ja, die gibt es, aber das sind nicht unsere Leute“, betonte er.
Wach warb für ein interdisziplinäres Team, dass sich um Patienten mit den unterschiedlichen Beschwerden kümmern wird. Die einen stürzen unglücklich, andere wollen nicht so recht aus dem Bett, dann gibt es Menschen, die zunehmend die Kontrolle über Blase und Darm verlieren und zudem intellektuell immer mehr abbauen. Meist komme alles irgendwie zusammen, so Wach. Fachleute sprechen dann von Multimorbidität, also das Auftreten von mehreren Krankheiten bei einem Menschen.
Aber noch einmal: Das kann, muss aber nicht bei jedem älteren Menschen auftreten. Deshalb, so betonte es der Redner, stehe das biologische vor dem kalendarischen Alter. Nur, die Patienten, die sich bei Geriater Wach und seinem Team vorstellen, „fahren nicht nach Nepal oder besteigen Berge“. Zur Sicherheit empfiehlt er bei allen über 70-Jährigen hin und wieder ein sogenanntes geriatrisches Screening machen zu lassen.
So unterschiedlich die Beschwerden und Erkrankungen sind, so unterschiedlich sind auch die Fachleute, die sich regelmäßig treffen, um sich über ihre Patienten auszutauschen. Die Liste ist lang: Ärzte, Pfleger, Physio-, Ergo-, Logotherapeuten, Sozialarbeiter, Psychologen, Psychiater, Neurologen werden konsultiert, „und bei Bedarf kommen auch noch andere Professionen ins Spiel“, so Wach.
Ziel aller Bemühungen der Fachleute soll sein, dass Patienten möglichst lange selbstständig und selbstbestimmt leben können. War nämlich vor dem Klinikaufenthalt ein Rollator kein Thema, könnte er nach einer Entlassung dazu beitragen, dass sich ein Patient wieder sicher fühlen kann und selbst auf den Marktplatz geht, um im Sommer einen Eiskaffee zu trinken.
Die beiden Säulen der Altersmedizin heißen „Akutgeriatrie“ und „Geriatrische Rehabilitation“. Wer sofort nach einer Herzerkrankung oder einem Schlaganfall eingeliefert wird, soll so schnell wie möglich wieder auf die Beine gestellt werden. Über Stand- und Gangsicherheit, Sitzen, Gleichgewicht halten und den Aufstehtest referierte Physiotherapeutin Vanessa Gerhardts. Dabei schlug sie einen einfachen Test vor, den jeder zu Hause bequem selbst ausprobieren kann, das sogenannte Chair Rising. Wer nicht in elf Sekunden oder schneller fünfmal aus einem normalen Stuhl aufstehen kann, „ohne sich mit den Armen abzustützen“, gelte demnach als sturzgefährdet.
„Wir wollen keinen vorführen, sondern sehen, was ein Mensch noch alles leisten kann“, erklärte die Therapeutin. Damit wird auch deutlich, was die Verantwortlichen unter „vorher“ und „nachher“ verstehen, wenn sie jemanden in die Geriatrische Rehabilitation aufnehmen und nach einigen Wochen wieder entlassen. Erfolge sind offensichtlich genauso messbar wie Gebrechlichkeit.
Klinikvorstand Jürgen Winter will das neue Zentrum ebenso zertifizieren lassen, wie alle anderen Bereiche auch, „um das gleiche Niveau wie die größeren Häuser zu erreichen“. Denn, und da schließt sich der Kreis: „Patienten in der Fläche haben die gleichen Bedürfnisse wie in den Zentren.“

Keine Kommentare