„Bald gehen in der Innenstadt die Lichter aus“
15.10.2015, 16:58 UhrThomas Schiel, der seit 29 Jahren im Elektrofachgeschäft Schlederer & Biermann arbeitet, ist fassungslos: „Ich hätte nicht erwartet, dass die Stadt den Innenstadt-Händlern so ein Ei legt“, sagt er. Schon die anstehende Hauptstraßen- und Brückensanierung habe ihm Kopfzerbrechen gemacht — „und nun das“. Ohnehin habe es die Elektronik-Branche schwer und leide unter der Konkurrenz durch das Internet. Das bestätigt auch Werner Biermann, der überzeugt ist, dass man nur mit Serviceorientierung punkten und die Stammkundschaft halten könne. Aber „die Politiker schauen nur auf die Gewerbesteuer, die Innenstadt wird stillgelegt“, bedauert Biermann, der in der historischen Kulisse schon ein Pfund sieht, mit dem die Stadt wuchern könnte. Für Thomas Schiel sind bei einer Verlagerung der Einkaufsmöglichkeiten an den Stadtrand vor allem ältere Menschen die Verlierer, denn „eine lebendige Innenstadt dient ja auch dem sozialen Austausch“.
Matthias Przybyllok von Optik Buchmann kann dem geplanten AischPark Center zumindest eine gute Seite abgewinnen: „Immerhin bleibt die Kaufkraft in der Region“. Doch er sieht es auch pragmatisch: „Die Innenstadthändler haben nichts davon. Die Situation hier ist trostlos.“ Seiner Ansicht nach fehlt dem Herzen der Stadt ein Kundenmagnet. „Doch wo könnte man das realisieren?“ Auch die Stammkunden des Optik-Geschäfts, darunter viele ältere Menschen, bedauerten, dass es im Zentrum nichts mehr gebe, weiß Przybyllok. Neben belebenden Elementen fehlen in der Innenstadt auch Parkmöglichkeiten, ist seine Erfahrung. Trotzdem bleibt er vorsichtig optimistisch: „Die Geschäfte, die jetzt laufen, laufen auch später noch.“
Markus Thomä, der vor fünf Jahren in der Innenstadt seinen Outdoor-Laden Wigwam eröffnet hat, ist davon nicht unbedingt überzeugt. Er hat sich mit seinem Angebot und guter Beratung einen Namen gemacht; ein möglicher Mitbewerber im AischPark Center schreckt ihn nicht. Enttäuscht ist er vielmehr von der Haltung der Stadtspitze. Um ihn als Fachhändler zu gewinnen, sei ihm seinerzeit zugesichert worden, dass die Innenstadt belebt werden solle. Passiert sei das Gegenteil. „Der Bürgermeister macht für die Innenstadt nichts“, konstatiert er. Zudem seien bei der Auswahl der Branchen für das AischPark Center Ausnahmen gemacht worden — das sei keine Gleichbehandlung der ansässigen Gewerbetreibenden. Dass es auch anders laufen kann, hat er in Bamberg erlebt, wo er früher in der Sandstraße und heute am Laubanger einen weiteren Laden betreibt. „Wenn das Angebot stimmt, zieht auch die Innenstadt“, ist seine Erfahrung. Sollte das in Höchstadt nicht mehr der Fall sein und seine Kunden ausbleiben, kann er sich deshalb durchaus einen Standortwechsel vorstellen.
„Das neue Center wird die Innenstadt kaputt machen“, befürchtet Petra Wittauer vom Textilhaus Hack. Sie habe dieses Phänomen bereits beobachtet, als das „Kaufland“ eröffnete. Davor seien jede Menge Menschen in die Innenstadt gekommen, die seitdem ausblieben. Außerdem benötige man ein Zugpferd, wie es beispielsweise Spar oder Schlecker gewesen wären, sagt sie. „Denn dort kaufen die Kunden ein und gehen zwangsläufig auch an den Innenstadtgeschäften vorbei“, ist ihre Überzeugung. „Zum Bummeln allein kommt niemand — höchstens einmal bei schönem Wetter“. Die anstehende Sanierung der Hauptstraße und die Isolierung der Innenstadt durch den Brückenneubau verdränge die Menschen dann vollends aus dem Zentrum.
„In der Stadt gehen bald die Lichter aus“, prophezeiht Carla Müller, die seit 39 Jahren zusammen mit ihrem Mann das Juweliergeschäft Müller betreibt. Sie hat den Niedergang der Innenstadt miterlebt. „Früher war die Situation gut, in jedem Ladenlokal waren Geschäfte.“ Heute seien einige schon zu Büros umgenutzt und daher auch optisch wenig attraktiv. Auch die Parkmöglichkeiten seien besser gewesen, als der Marktplatz noch als Parkfläche zur Verfügung gestanden habe, erinnert sie sich. Doch sie ist sich auch im Klaren, dass sich das Verhalten der Kunden gewandelt hat: „Das Bewusstsein für Wertigkeit fehlt. Dazu kommt die Konkurrenz durch das Internet“, sagt sie. Und die der neuen Einkaufsmärkte mit Öffnungszeiten, die ein kleines, inhabergeführtes Geschäft ohne Expansionsmöglichkeiten nicht bieten könne. „Die Händler selbst haben wenig Möglichkeiten, die Innenstadt aufzuwerten“, bedauert sie.
Auch Alexander Schulz ist gespannt darauf, wie die von Bürgermeister Gerald Brehm versprochene Belebung der Innenstadt durch das neue Center auf der grünen Wiese funktionieren soll. In seinen 15 Jahren als Vorsitzender des Höchstadter Gewerbevereins (HGV) hat er schon viele Versuche unternommen, die Kunden auf das Leistungsspektrum der Händler vor Ort aufmerksam zu machen, doch „die bunte Mischung, die es früher in der Innenstadt gab, ist weg“. Entsprechend schwer sei es, für eine Aufwertung der Innenstadt seitens der Gewerbetreibenden im Verein noch aktive Mitstreiter zu gewinnen, sagt Schulz: „Viele Geschäftsleute haben die Hoffnung schon aufgegeben“.
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