Der Landwirt und die Liebe
19.12.2009, 00:00 Uhr
Karl-Heinz Hertlein ist ein offener Mensch. Einer, der freundlich auf andere zugeht. Einer, mit dem sich über Gott und die Welt reden lässt. Er hat nichts von einem verschüchterten Junggesellen oder eigenbrödlerischen Hagestolz, wie man sich vielleicht einen Single-Landwirt vorstellt - oder wie er bei «Bauer sucht Frau» gerne dargestellt wird.
Und dennoch ist Karl-Heinz Hertlein alleine. Über die Gründe zu mutmaßen, fällt dem 45-Jährigen schwer. Lange lässt er seinen Blick durch die Stube seines Elternhauses in Oberlindach schweifen. Betrachtet abwesend die Rehgeweihe an der Wand, die Zinnbecher im Regal. Zögernd sagt er schließlich: «Ich bin eher der Typ, auf den die Sachen zukommen.»
Er meint damit aber mehr seine berufliche Laufbahn, als sein Privatleben. Nach der Realschule besucht er die Fachoberschule und entscheidet sich schließlich für das Studium der Landwirtschaft an der Fachhochschule in Triesdorf, das er als Diplom-Ingenieur abschließt.
Angebot vorhanden
Damals ist Karl-Heinz Hertlein 23 Jahre alt. Und obwohl an seinem Studienort zwecks der Partnerwahl «ein Angebot von beiden Seiten vorhanden» ist, kann er «mit dem Markt nichts anfangen». Denn die jungen Damen, auf die er ein Auge geworfen hat, interessieren sich für andere Männer und umgekehrt. Oft wählen sie auch bewusst einen Partner von «außerhalb der Landwirtschaft» aus.
Für Karl-Heinz Hertlein allerdings ist es nur schwer vorstellbar, eine Frau zu haben, die das Landwirtsleben nicht akzeptiert, nicht mit ihm und seinen Eltern an einem Strang zieht. Das bedeutet für ihn jedoch nicht zwangsläufig die klassische Rollenteilung. «Viele Landwirtsfrauen sind anderweitig berufstätig», sagt Hertlein, «aber ohne Engagement auf dem Bauernhof, auf dem man ja lebt, wird’s nicht funktionieren.» Das Versorgen der 50 Jungrinder, die Ernte, Haus und Hof seien Aufgabe der ganzen Familie.
«Im Haupterwerb Landwirtschaft zu machen, wenn sich ein Partner dagegen wehrt, geht nicht», ist sich der groß gewachsene Mann mit dem Vollbart sicher. Es reiche nicht, wenn die Frau ihn nur wegen der «strahlenden Augen» nehme, sagt er und lässt eben jene strahlend braunen Augen blitzen. Es müsse sich «irgendwie ein Team bilden», in dem jeder seinen Aufgaben nachgehe.
Zwangsläufig traditionell
Die Verteilung gestaltet sich aufgrund der vorhandenen Arbeiten in seinen Augen zwangsläufig eher traditionell: Der Mann ist für die schweren Arbeiten im Stall oder auf dem Feld verantwortlich. Die Frau kümmert sich um die «Innenwirtschaft», also um die Haushaltsführung, Kindererziehung und später die Betreuung der Schwiegereltern. «Anders geht es nicht», sagt Karl-Heinz Hertlein. Wer einen Landwirt heirate, heirate zugleich seinen Hof und seine Familie. «Das muss man sich klarmachen.»
Die Strukturen sind also vorgegeben. Eine Tatsache, mit der sich nicht jede Frau anfreunden kann. Aber eine Tatsache, die bei ehrlichen Absichten und echten Gefühlen nicht abschrecken kann.
Deshalb verzagt Karl-Heinz Hertlein auch nicht. «Natürlich» hält er bei Veranstaltungen «die Augen offen». Und hie und da ergeben sich auch nette Gespräche oder «Anbahnungskontakte». Der Funke aber ist eben bisher noch nicht übergesprungen. Heiratsanzeigen als Mittel zur Traumfrau konnte sich Karl-Heinz Hertlein bisher nicht vorstellen. Das ist nicht seine Art, Frauen kennenzulernen.
Er sei «nicht unbekannt und viel unterwegs», allerdings nicht als «Bauer sucht Frau». Und so hofft er, auf einem dieser Wege die Frau zu finden, die mit ihm gemeinsam durchs Leben gehen will.
Rudi Gräbner musste das Glück nicht suchen. Es hat ihn gefunden. In Gestalt von Barbara. Die Zahnarzthelferin aus Höchstadt kannte den Landwirt aus Mailach schon «vom Sehen». Und als sie eines Tages mit ihrer Tochter Leona in der Nähe seines Hofes Inline-Skaten war, stand er plötzlich mit dem Traktor vor ihr.
Von da an waren Mutter und Tochter öfters auf der Strecke unterwegs. Eine Beziehung kam dadurch aber nicht in Fahrt. Dafür sorgte letztendlich Leona. Die damals Neunjährige schickte dem Milchbauern, dessen Handynummer sie im Telefonbuch fand, vom Mobiltelefon ihrer Mutter einfach eine Bildnachricht mit einer Rose. Als er sie erhielt, war Rudi Gräbner einigermaßen verwirrt, konnte er weder mit der Nummer, noch mit dem Bild etwas anfangen. «Nach einigen SMS aber war die Sache klar», sagt er lächelnd und fügt hinzu, «dann ging es ziemlich schnell.»
An das erste Treffen am 23. September 2006 kann sich der 41-jährige Landwirt noch genau erinnern: «Zuerst waren wir essen und dann sind wir nach Unterpreppach auf Tanz zu ,Revolver‘ gegangen.» Danach wussten beide: «Wir gehören zusammen.» Schon im Jahr darauf, am 20. Juni 2007, wurde geheiratet. Gekrönt wurde das familiäre Glück durch Töchterchen Eva, das vor einem Jahr das Licht der Welt erblickte.
Innerhalb von zwei Jahren hatte Rudi Gräbner also die Familie, die er sich immer gewünscht hatte. Und er hat eine Frau, die ihn auf dem Hof unterstützt. Denn Barbara hat sich - nachdem die Suche nach einem Teilzeit-Arbeitsplatz erfolglos war - entschlossen, in den Betrieb ihres Mannes einzusteigen. Ohne diesen Entschluss hätte Rudi Gräbner wahrscheinlich nicht in einen neuen Stall mit modernen Melktechnik investiert. Mit der Rückendeckung seiner Frau aber, konnte er es wagen. Sie half, wo es ging. «Sie hat sogar heimlich das Melken probiert», verrät Rudi Gräbner. Neben der Stallarbeit mit den 50 Kühen kümmert sich die 39-Jährige noch um die Buchhaltung, den Haushalt und die Kinder. Ihr Mann ist für die Außenwirtschaft mit Anbauflächen von 80 Hektar zuständig.
Von der Arztpraxis in den Kuhstall - ein Wechsel zwischen Welten. «Natürlich ist die Arbeit auf dem Hof mehr», gibt Barbara Gräbner offen zu. Als Arzthelferin hatte sie feste Arbeitszeiten und - was nicht zu unterschätzen sei - «am Ende des Monats ein sicheres Gehalt auf dem Konto. Da weiß man, was man hat.» Darauf könne sie sich nun nicht mehr verlassen. Dafür aber auf ihren Mann.
Nicht nur Arbeit
Und der tut alles, um Zeit für die Familie zu haben. Er will regelmäßig mit seinen Lieben etwas unternehmen und nicht nur die Arbeit sehen. Denn genau das - so glaubt er - schrecke viele junge Frauen: «Welche Frau akzeptiert es schon, wenn der Mann die Woche über und auch noch am Wochenende auf dem Acker ist, wenig Freizeit und keinen Urlaub hat?» Dazu komme «diese verkorkste Subventions-Agrarpolitik», die die Landwirte zu «Almosenempfängern» degradiere.
Alles Tatsachen, die bei der Partnerwahl wenig hilfreich sind. Das Image des Landwirts ist denkbar schlecht. Rudi Gräbner selbst hat deshalb in früheren Jahren im Gespräch mit jungen Damen seinen Beruf so lange wie möglich verheimlicht.
Inzwischen ist er stolz, mit seiner Barbara eine patente Partnerin an seiner Seite zu haben. Jungen Landwirten, die noch auf der Suche nach der Richtigen sind, rät er: «Nie aufgeben, seinen Hobbys nachgehen und auch mal Urlaub machen. Somit kann man auch einmal über etwas anderes reden als den neuen Schlepper und die beste Kuh im Stall.»