Die Liebe ließ das Heimweh vergessen

29.05.2010, 00:00 Uhr
Die Liebe ließ das Heimweh vergessen

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Aus Spanien kamen die ersten ausländischen Arbeitskräfte zur Firma Schaeffler nach Herzogenaurach. Der zweite Beitrag unserer Serie schildert deshalb den Weg der Familie Martin-Troyano aus Andalusien nach Franken.

Anita Tippmanns Vater hatte in Malaga zwar einen Job als Schlosser, der Familie ging es auch nicht schlecht. »Wir hatten ein Haus und ich hatte sogar ein eigenes Zimmer«, erzählt die heute 64-jährige Anita.

Doch wie das Leben so spielt, machte sich die Familie dennoch auf nach Herzogenaurach. Anitas Tante, eine Schwester ihrer Mutter, wohnte zu diesem Zeitpunkt nämlich bereits in Herzogenaurach und hatte schon Anitas ältere Brüder Manuel und Francisco zu sich geholt. Die beiden berichteten von guter Arbeit mit guten Verdienstmöglichkeiten, sodass Vater Antonio beschloss: »Da gehen wir auch für drei/vier Jahre hin.« Dass es dann ein ganzes Leben lang sein würde, konnte damals natürlich niemand ahnen.

Alle Freunde blieben zurück

Anita war über diese Entscheidung jedenfalls gar nicht glücklich, musste sie mit 15 Jahren doch alle Freunde zurücklassen. »Als wir in Herzogenaurach ankamen, war es trüb und regnerisch, ich hatte großes Heimweh«, erinnert sich Anita an ihre ersten Eindrücke. Das schlimmste aber sei die Wohnung in der Hinteren Gasse gewesen. »Es war ein uraltes Haus ohne Bad und Toilette und so kalt, dass meine Mutter beim Kochen Handschuhe tragen musste.« Eine »totale Umstellung« sei es gewesen, zumal die Familie auch kein Wort Deutsch sprach.

Immerhin hatten Vater und Söhne sofort Arbeit bei Schaeffler gefunden, wurden dort auch freundlich aufgenommen. Denn die Martin-Troyanos bemühten sich sehr, sich in der neuen Heimat zurecht zu finden und vor allem, die Sprache zu lernen. »Meine Eltern haben gesagt, wir sind in einem fremden Land, da muss man sich anpassen, sonst bleibt man immer fremd«.

Als die Tante jedoch kurze Zeit später in ihre Heimat Andorra zurückkehrte, nahm sie Anita zunächst mit, weil das Mädchen in Deutschland gar so unglücklich war. Dort arbeitete Anita in einem Schmuckgeschäft mit Zuchtperlen, »eine wunderschöne Arbeit«. Doch nun hatte sie Sehnsucht nach ihren Eltern.

Langsame Gewöhnung

Eine neue Wohnung im Welkenbacher Kirchweg hatte inzwischen die Situation für die Familie in Herzogenaurach verbessert, so dass Anita 1962 ebenfalls wieder in die Aurachstadt kam. Und von da an wurde alles besser: Durch ihren Bruder Francisco lernte Anita Thomas Tippmann kennen und lieben. »Es war jedes Wochenende was los, wir gingen zum Tanzen ins Vereinshaus oder trafen uns in der Milchbar auf dem Marktplatz«, erinnert sich Anita Tippmann. So habe sie nach und nach auch Deutsch gelernt.

Freilich sei es immer eine ganze Clique gewesen, denn alleine habe sie sich damals natürlich nicht mit einem Mann treffen dürfen. Gearbeitet hat Anita zu dieser Zeit in der Schuhfabrik Gehr. Sechs Jahre lang ging das so, bis Anita 1968 ihren Thomas in der Pfarrkirche St. Magdalena heiratete. »Die Kirche war voll, war ich doch die erste Spanierin, die einen Deutschen heiratete«, sagt Anita schmunzelnd. Gewohnt hat das Paar zunächst in der Cyprianstraße, dann bauten sie in Hammerbach.

Heute führt Anita eine glückliche Ehe, hat zwei Söhne, inzwischen auch schon einen Enkel und fühlt sich in Herzogenaurach daheim. Auch ihre Eltern seien hier zeitlebens sehr glücklich gewesen. »Mein Vater war ein guter Mensch und bei Schaeffler äußerst beliebt. Und meine Mutter hat immer gesagt, ein Ausländer, der sich hier nicht wohlfühlt, solle doch zurück gehen.« Beide sind auf dem Alten Friedhof beerdigt.

Kontakt zu Brüdern

Zu Anitas Brüdern haben Anita und Thomas Tippmann engen Kontakt. Der jüngste, Antonio, ist zurück nach Spanien gegangen. Manuel ebenfalls, aber erst, nachdem er bis zur Rente bei Schaeffler gearbeitet hatte. Francisco hat in Cuxhaven geheiratet. »Wir verstehen uns blendend, telefonieren oft und es ist für mich der schönste Tag, wenn wir uns alle treffen«, sagt Anita. In Spanien macht Anita Tippmann zwar noch gerne Urlaub, »aber dann möchte ich wieder nach Hause«. Und damit meint sie Herzogenaurach.