Droht ein Engpass bei den Obdachlosen-Unterkünften?
22.10.2015, 16:57 UhrIn schmuckem Altrosa und mildem Gelb präsentiert sich die städtische Unterkunft in der Kantstraße. Vor knapp zwei Monaten sind hier nach der Renovierung die ersten Obdachlosen eingezogen.
Immer wieder muss der Hausmeister (der namentlich nicht genannt werden will) Mietinteressenten abweisen. „Diese Wohnungen werden nicht frei vermietet, sondern nur auf Zuweisung durch die Stadt belegt.“ Über sein Image im 21-Parteien-Gebäude macht er sich keine großen Illusionen. Beinahe so, als würde seine schwarze Kleidung auch die resignative Stimmung widerspiegeln. „Ich bin für die meisten hier der Buhmann.“
In der Kantstraße sind überwiegend Männer untergebracht. Und Familien. Gegenwärtig liegt die Belegung bei über 40 Prozent. Neuankömmlingen wird am Anfang die mehrseitige Hausordnung in die Hand gedrückt.
Aber oft ist das vergebliche Liebesmüh, wie sich auch beim Rundgang von Hausmeister und NN-Reporter zeigt. Eine Metall-Zwischentür auf dem Gang wurde mit Hilfe eines Feuerlöschers blockiert, was natürlich verboten ist, an Zimmer-Eingangstüren die automatische Schließanlage ausgehängt.
Achtlos wurde von einem Bewohner ein Karton mit leeren Blechdosen auf der gemeinsamen Herren-Toilette jenseits des Flurs deponiert. Im Mehrbettzimmer wurde der Metallspind gewaltsam aufgebrochen. Drinnen noch das Inventar des Vornutzers.
Eigentlich Rauchverbot
Der Hausmeister: „Manche verschwinden einfach in einer Nacht- und-Nebel-Aktion.“ Im Kühlschrank gammeln noch Essensreste vor sich hin. Im Mehrbettzimmer selbst steht der kalte Rauch von der letzten Nacht. Eigentlich herrscht in allen Zimmern absolutes Rauchverbot. Viele der Rauchmelder an der Decke wurden unerlaubt abmontiert.
Plötzlich kommt der momentan einzige Bewohner des Mehrbettraumes zurück. Ein junger Mann. Den verbotenen Aschenbecher voller Zigarettenkippen vor seinem Bett ignoriert er völlig. Die fünfköpfige Familie im Stockwerk drüber sitzt fast schon auf gepackten Koffern. Vater, Mutter und drei 16 bis 21 Jahre alte Kinder haben auf dem freien Wohnungsmarkt in der Nachbarschaft der Unterkunft eine neue Heimstätte gefunden. Eineinhalb Jahre hatten sie zuvor in der Kantstraße verbracht.
Wegen einer schweren Erkrankung hatte der jetzt 50-jährige Vater seinen Job verloren. Damit fehlte das Geld für die Miete. Aus ihrer früheren Wohnung wurde die Familie vom Vermieter heraus geklagt. Schlaflose Nächte folgten.
Räumungsklagen führen oft in die Obdachlosigkeit. Das weiß auch der Caritas-Sozialberater Horst Naser. Immer wieder macht er Hausbesuche in den Obdachlosenunterkünften oder empfängt Hilfesuchende in seiner Sprechstunde. „Ich bekomme Mitteilungen vom Gerichtsvollzieher.“
Manchmal gelingt es ihm bereits im Vorfeld, die Räumungsklage abzuwenden, oder wenigstens die vom Wohnungsvermieter beauftragte Spedition abzubestellen. Denn das wären noch einmal bis zu 2000 Euro Zusatzkosten für seine ohnehin überschuldete „Kundschaft“. Seine Klienten unterstützt er beim Formularkrieg mit Behörden, egal ob nun Jobcenter oder Rentenversicherungsträger. Bei verzögerten Auszahlungen fallen seine Beratungskunden sofort ins Bodenlose.
Erst am Vortag beteuerte ihm eine allein lebende Frau, dass ihre Wohnung vom Vermieter noch nicht gekündigt worden sei. Beim Hausbesuch öffnete Naser in ihrem Beisein ein Briefkuvert vom April. Dort drin steckte dann die fast schon erwartete Wohnungskündigung. Nasers Ziel: „Wir wollen die Leute aus der Übergangswohnung möglichst schnell wieder herausbekommen.“
Kaum Chancen mit Schulden
Wer allerdings verschuldet ist, hat kaum Chancen. Gerade Genossenschaften machen vor Mietverträgen routinemäßig Schufa-Anfragen. Wer schon aus vorherigen Mietverhältnissen Schulden angehäuft hat, geht dann leer aus.
Den Missbrauch von Drogen und Alkohol sowie psychische Krankheiten oder wirtschaftliche Schwierigkeiten sieht Naser als Hauptursache für Obdachlosigkeit. Es gibt auch junge Leute, die von den eigenen Eltern nach Dauer-Zoff vor die Tür gesetzt wurden.
Bei der Stadt Herzogenaurach ist Walter Pander als Leiter für Gebäudewirtschaft auch für die Obdachlosenunterkünfte zuständig. „Das sind alles Zwangslagen.“ Er kennt auch den Fall eines Juristen aus Syrien, der als anerkannter Asylbewerber in Herzogenaurach strandete. Er sprach kaum deutsch und war völlig überrascht, dass nach dem Asylverfahren kein Staat für ihn sorgen würde. Der Mann kam in die Obdachlosenunterkunft. Schließlich kümmerte sich der ehrenamtliche Helferkreis für Flüchtlinge um ihn. In der Zwischenzeit hat der Asylberechtigte eine Wohnung gefunden.
Fast 300 Flüchtlinge leben jetzt in Herzogenaurach. Wenn nur jeder zehnte später anerkannt und obdachlos würde, bräuchte die Gebäudewirtschaft 20 bis 30 Wohnungen. Pander: „Die gibt es nicht. Daher werden viele in den Erstaufnahmeeinrichtungen und dezentralen Unterkünften bleiben müssen.“ Der Wohnungsmarkt sei in Herzogenaurach und auch im Großraum Nürnberg/Fürth/Erlangen ohnehin extrem angespannt.
Keine Kommentare
Um selbst einen Kommentar abgeben zu können, müssen Sie sich einloggen oder sich vorher registrieren.
0/1000 Zeichen