Ein "klangvolles" Handwerk
31.01.2016, 09:56 UhrFür Carola und Harald Hendel hängt der Himmel voller Geigen – jeden Tag. Rund 25 Streichinstrumente warten an einem Gestell unter der Decke ihrer Geigenbauwerkstatt auf ihre Vollendung. Die glänzend lackierten Holzkorpusse schimmern in warmen Naturtönen von honigfarben bis rötlich braun. „Je nachdem, welche Pflanzenfarbstoffe man in der Beize verwendet“, erklärt Carola Hendel, die den Lack selbst ansetzt.
Bis die Saiteninstrumente zum Lackieren und Polieren in ihre Hände gelangen, haben sie in der kleinen Werkstatt Am Kiebitzengraben schon viele Arbeitsschritte hinter sich. Am Anfang steht der Rohstoff: das Holz. Doch nicht jede Sorte hat das Zeug, sich in ein hochwertiges Musikinstrument zu verwandeln. „Die Bäume müssen sehr regelmäßig gewachsen sein“, erklärt Harald Hendel. Diese Voraussetzung erfüllen nur Exemplare, die in großer Höhe wachsen, erklärt er. Geschätzte Tonhölzer seien Bergfichten, die in Österreich, der Schweiz, aber auch in Tschechien oder dem Bayerischen Wald wüchsen, oder der berühmte Bergahorn aus Bosnien, den schon Antonio Stradivari verwendete.
„Der Stamm muss mindestens 80 Zentimeter bis einen Meter Durchmesser haben“, sagt Hendel und erklärt gleich warum. Wie eine Torte wird die runde Baumscheibe nämlich zerteilt. Jedes „Tortenstück“ wird nochmals halbiert und die Rücken der beiden Hälften miteinander verleimt. So erhält man eine Tonholzplatte, die an den Rändern flach zuläuft und in der Mitte dicker ist — die Grundlage für die Wölbung des Geigenhohlkörpers.
Was sich schnell erzählt, dauert in der Praxis lange. „Allein das Holz muss mindestens 15 Jahre lagern“, sagt Harald Hendel, der mit seiner Frau deshalb regelmäßig unterwegs sein muss, um das wertvolle Ausgangsmaterial auszuwählen und einzukaufen.
Noch aufwändiger ist der nächste Arbeitsschritt. Aus der noch relativ dicken Tonholzplatte müssen Decke und Boden herausgearbeitet werden. Ein Geigenbaumeister macht das von Hand, erläutert Hendel . Doch ein ausschließlich manuell gefertigtes Instrument hat seinen Preis. Für eine solche Maßarbeit müsse man mit 15 000 bis 20 000 Euro rechnen, schätzt der Geigenbau-Fachmann.
Die Ambitionen, solche Solisteninstrumente herzustellen, haben die Hendels nicht. Sie möchten qualitativ hochwertige Streichinstrumente schaffen, die auch für Einsteiger erschwinglich sind. Ab 850 Euro bekommt man eine Hendel-Geige „made in Germany“. Um bei diesem Preis gegen Mitbewerber aus Fernost konkurrenzfähig zu bleiben, muss sich die Handarbeit auf das Wesentliche konzentrieren. Decke, Boden und Hals der Geige werden deshalb maschinell gefräst.
Diese Arbeiten lässt Hendel außer Haus erledigen — von Firmen in Möhrendorf oder der Geigenbaumetropole Bubenreuth. Dort baute schon Harald Hendels Vater Georg viele Jahre lang Geigen, bevor er sich 1987 selbstständig machte. Vor mehr als 20 Jahren stieg auch Harald Hendel in den Geigenbaubetrieb seines Vaters ein, den seit 2006 Carola Hendel führt.
„Beim Geigenbau zählt die Erfahrung“, sagt Carola Hendel. Ruhe, Geduld und Geschick sind Grundvoraussetzungen — etwa, wenn die Einlegeadern in den sogenannten Adergraben eingesetzt werden, ein hauchzarter Holzspan, der die Kontur der Geige optisch betont, ihr aber auch Stabilität verleiht.
Große Sorgfalt ist auch beim Schleifen des Violinenhalses nötig. Die Hohlkehlen werden nachgearbeitet, anschließend das Griffbrett angepasst. Die vorgefertigten Decken und Böden werden mit der Ziehklinge geputzt, der sogenannte Bassbalken wird eingesetzt, die Resonanz und Stabilität verbessert. Am aufwändigsten seien jedoch die Zargen, also die Seitenwände, erklärt Harald Hendel. Ist der Geigenkorpus geschlossen, wird durch das geschwungene F-Loch der Stimmstock eingesetzt, ein kleines Holzstück, das den Druck der Saiten aufnehmen und die Resonanzübertragung verbessern soll. „Eine richtig knifflige Arbeit“, gibt Hendel zu.
Geschätzte Qualität
Nach und nach entsteht so ein (fast) fertiges Instrument. „Weißinstrumente“ nennt man die noch unlackierten Rohlinge, denen neben dem Lack nur noch die Saiten fehlen. In dieser Form treten viele der Hendelschen Geigen, Violas und Violoncelli ihren Weg aus Höchstadt in die Welt an, denn die solide Qualität aus deutscher Produktion, die durch Echtheitszertifikat bestätigt wird, ist auch im Ausland gefragt. Doch nicht selten kommen auch Kunden direkt in den Kiebitzengraben 5, um dort ein Instrument zu kaufen oder zu bestellen.
Den Umzug der Werkstatt von Fürth ins Höchstadter Gewerbegebiet vor zwei Jahren haben die in Erlangen wohnhaften Geigenbauer nicht bereut. „Wir haben hier optimale Voraussetzungen gefunden“, sagt Carola Hendel mit Blick auf die erschwinglichen Grundstückspreise und die gute Infrastruktur. Der Vollendung der Instrumente widmet sich Carola Hendel mit besonderer Hingabe. Mit einer Gelatineschicht wird das Holz zunächst verschlossen, anschließend Beize und Lack aufgebracht, die sie aus Schelllackblättern, Harzen, ätherischen Ölen und Naturfarbstoffen herstellt, anschließend werden die frisch lackierten Streichinstrumente zum Trocknen unter der Werkstattdecke aufgehängt. Mit dem Polieren gibt Carola Hendel ihnen im wahrsten Sinn des Wortes noch den letzten Schliff, bevor Musikliebhaber sie zum Klingen bringen können.
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