Eine gegenseitige Bereicherung

24.12.2018, 06:57 Uhr
Eine gegenseitige Bereicherung

© Foto: Lebenshilfe

"Ich höre auch daheim gerne Musik und finde es toll, die Bands dann zu sehen", sagt Michael Wustmann. Dabei suche er sich die Konzerte, zu denen er gehen wolle, selbst aus – "oft drei Monate im Voraus, weil die in der Region schnell ausverkauft sind". Die Tickets kauft dann Wustmanns Mutter. Eine bevorzugte Musikrichtung oder Band hat der 38-Jährige nicht. "Ich höre alles querbeet." Auch Comedians wie zum Beispiel Ralf Schmitz stünden manchmal auf dem Plan. "Und nach jedem Konzert müssen wir auf jeden Fall zum Merchandising-Stand, um ein Andenken mitzunehmen – eine CD, ein Poster, eine Tasse oder ein T-Shirt", erzählt Steffen von der Osten schmunzelnd. Nächster Termin: Im März 2019 steht die "Erste Allgemeine Verunsicherung" auf dem Programm.

Der 35-Jährige von der Osten ist Heilerziehungspfleger in der Aurach-Werkstatt der Lebenshilfe in Herzogenaurach und dort auch Gruppenleiter von Michael Wustmann. "Arbeitstechnisch bedingt" seien die Offenen Hilfen an ihn herangetreten, ob er sich auch noch ein ehrenamtliches Engagement vorstellen könnte", so von der Osten. Also habe er es mit Wustmann einfach mal ausprobiert. Und hatte Freude daran.

"Es ist jedes Mal bereichernd, was ich mit Michael erlebe", sagt von der Osten. "Es eröffnet mir neue Horizonte, denn auf die Konzerte würde ich so nicht gehen. Es macht also uns beiden Spaß, zu zweit ist es auch einfach schöner. Da kann sich eine echte Freundschaft entwickeln." Und ganz wichtig: Steffen von der Osten gibt Michael Wustmann Sicherheit und Rückhalt. Denn genau das ist das Konzept der Freizeitassistenz.

Eine gegenseitige Bereicherung

© Foto: Roland Huber

Ganz ohne fachlichen Hintergrund ist Sylvia Frenzel-Baune Freizeitassistentin geworden. Die 60-Jährige stammt aus Kalchreuth und arbeitet im Büro einer Klinik, hat auch Erfahrung in der Krankenpflege. Im Frühjahr dieses Jahres, nachdem ihre Kinder erwachsen und aus dem Haus waren, "war Luft für etwas anderes", erinnert sich Frenzel-Baune.

Die Wahl fiel auf eine Tätigkeit mit Menschen mit Behinderung. "Ich wollte in Kontakt mit einem mir bis dahin fremden Personenkreis treten." Berührungsängste? Kennt Sylvia Frenzel-Baune nicht. Sie ist eine offene, fröhliche Person, die auch anspruchsvolle Aufgaben nicht scheut. Inzwischen unterstützt sie zwei Familien mit erwachsenen, behinderten Männern.

Mit Norbert Ludescher ist Frenzel-Baune einmal pro Woche samstags unterwegs. Der 36-Jährige kann aufgrund einer geistigen Behinderung kaum sprechen. Wohl aber laufen. "Er läuft gerne und schnell", sagt die Freizeitassistentin lachend.

Im Wald spazieren gehen, auf einen Weihnachtsmarkt oder mal basteln — "ich denke mir immer was Schönes aus". Norbert Ludeschers Stimmungen und Zeichen könne sie mittlerweile ganz gut deuten. "Wir haben uns von Anfang an gut verstanden und vertrauen uns."

Außerdem kümmert sich Sylvia Frenzel-Baune zeitweise auch noch um einen schwerstbehinderten 21-Jährigen im Rollstuhl. Im Sommer ist sie mit ihm viel an der frischen Luft. An ein berührendes Erlebnis erinnert sie sich besonders: "Sein Vater spielt in einer Band, und wir haben uns dessen Konzert in der Kirche angehört. Und da hat sich dieser junge Mann, der nicht sprechen und laufen kann, im Takt bewegt und gestrahlt. Die Ebene der Musik hat ihn erreicht."

Gefällt der 60-Jährigen ihr Ehrenamt? "Es ist noch viel schöner, als ich es mir vorgestellt habe, eine echte Bereicherung in meinem Leben", schwärmt Sylvia Frenzel-Baune. "Was ich erlebe, ist so interessant und toll." Sie empfiehlt anderen Interessierten, es auszuprobieren, denn es sei viel unkomplizierter, als man es sich vielleicht vorstelle. "Es ist ein Geben und Nehmen — denn ich bekomme ja auch so viel zurück". Ehrlichkeit und wahre Gefühle seien in der Arbeit mit behinderten Menschen an der Tagesordnung. "Man muss sich nicht verstellen." Und Dankbarkeit der Angehörigen, denen sie höchsten Respekt zollt.

Ihr ist es auch ein Anliegen, Ängste und Hemmungen abzubauen und zu überwinden. "Wir können alle zusammen gut miteinander leben. Die Begegnung ist wichtig."

Wer will diese Menschen begleiten?

Die Lebenshilfe sucht noch ehrenamtliche Mitstreiter für die Freizeitassistenz. Hier ein paar aktuelle Beispiele von erwachsenen Menschen mit Beeinträchtigung, die sich Begleitung und Unterstützung wünschen.

Ein 21-jähriger Mann aus Herzogenaurach sucht vorwiegend am Samstag eine Begleitperson. Der junge Mann sitzt im Rollstuhl und hat eine geistige Behinderung. Die Betreuung kann zu Hause stattfinden, z.B. durch Musizieren oder Vorlesen. Außerdem ist der junge Mann gerne mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs.

Eine 19-jährige junge Frau sucht eine nette Begleitperson für gemeinsame Unternehmungen. Sie hat eine Entwicklungsstörung und ist anfangs sehr zurückhaltend. Die junge Frau hat vielfältige Interessen: Sie macht gerne Brett- und Kartenspiele, spielt gerne Frisbee und Badminton. Im Winter geht sie gerne Schlittschuhlaufen.

Eine 19-jährige Frau aus der Höchstadter Gegend sucht überwiegend für Unternehmungen am Wochenende eine Begleitperson. Sie hat eine geistige Behinderung, ist sehr mobil und hat keine körperlichen Einschränkungen.

Ein 29-jähriger Mann mit körperlicher Beeinträchtigung aus Röttenbach sucht eine Begleitperson. Er fährt gerne mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Bei alltagspraktischen Bedürfnissen benötigt er viel Unterstützung. Die Begleitung wäre vorwiegend abends angedacht.

Ein 22-jähriger freundlicher junger Mann mit Down-Syndrom sucht eine Begleitperson, die ihn abends unter der Woche und/oder am Wochenende zu Kinobesuchen oder anderen Aktivitäten begleitet. Kurze Strecken legt er gut zurück, er braucht Hilfe im Straßenverkehr.

Eine 21-jährige junge Frau mit geistiger Behinderung sucht eine Begleitperson, die sie primär samstags bei Spaziergängen begleitet. Außerdem hört sie gerne Musik oder macht Gesellschaftsspiele.

Interessierte können sich bei Sibylle Wolter von den Offenen Hilfen melden: per E-Mail an oh-fza@lebenshilfe-herzogenaurach.de oder unter Telefon (09132) 7810182.

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