Einzelhandel: Auf mehreren Kanälen in die Zukunft
07.04.2016, 14:00 UhrNN: Der Handel muss sich neu erfinden. Jüngst intensiv diskutiert wurde in den Nürnberger Nachrichten das Statement des Unternehmers Hans Rudolf Wöhrl, der eine mehr autogerechte Verkehrspolitik für die Innenstädte forderte. Wie ist dies für Herzogenaurach zu sehen?
German Hacker: Selbst Hans Rudolf Wöhrl würde Herzogenaurachs Situation als autogerecht bezeichnen. Schließlich ist der Abstand zum Parkraum stets sehr kurz und nur die östliche Hauptstraße ist Fußgängerzone. Tendenzen zur Ausweitung erkenne ich zurzeit nicht. In Zeiten des Demografiewandels ist die Erreichbarkeit einer Bäckerei mit dem Auto ein Faktor. Im Stadtrat wurde das vor Jahren immer wieder diskutiert. Die Wahrheit liegt dazwischen.
Was wir nicht dulden können, ist rücksichtsloses Parkverhalten, wenn der Marktplatz, die Ecke Reytherstraße/Erlanger Straße oder gar und der Schlosshof zugeparkt sind. Unsere Parküberwachung reagiert bereits darauf.
Welche Rolle spielen Onlinehandel und E-Commerce mittlerweile in der Herzogenauracher Geschäftswelt?
Judith Jochmann: Angestrebt wird „Multichannel“, da die Kundenerwartungen sich verändert haben. Es geht um die Kombination neuer Vertriebswege, da sich der Kunde nicht mehr zum Händler bewegen muss. Es gibt schon gute Beispiele vor Ort. Gemeinsam kann man andere Perspektiven entwickeln.
Sind Zusammenschlüsse von Händlern wie Werbegemeinschaften oder Gewerbevereine angesichts des rapiden Wandels überhaupt noch zeitgemäße Foren?
Jochmann: An und für sich ja. Das Kümmern ist allerdings ein anderes geworden. Und da geht es nicht um ein Plus an Veranstaltungen, sondern um neue Formen. Im September 2015 haben wir mit 30 teilnehmenden Handelsbetrieben und der Werbegemeinschaft unter Leitung von Handelsexperten und Innovationsberater Andreas Haderlein einen Workshop über die „Digitale Zukunft für den Herzogenauracher Einzelhandel“ angeboten. Am Ende trifft allerdings der Unternehmer die Entscheidung.
Hacker: Man muss jeden Fall und jedes Geschäft einzeln betrachten. In Herzogenaurach ist ein klassisches positives Beispiel Bücher, Medien und mehr. Der Buchmarkt war vom Onlinehandel als Erster betroffen. Trotzdem haben es die Geschäftsinhaber geschafft, ein neues interessantes Konzept zu erstellen, jetzt sogar mit Ausweitung der stationären Angebotsform auf die gegenüberliegende Straßenseite.
Jochmann: Auch andere Herzogenauracher Geschäfte sind aktiv, etwa auf eigenen Facebook-Seiten, Red Corner zum Beispiel. Bücher, Medien und mehr hat schon Shopfunktion, da steckt eine komplette Warenlogistik dahinter. Eine ästhetisch ansprechende Schaufensterfunktion wird von den Einzelhändlern gemeinsam angestrebt.
Hacker: Das Marketing über Suchmaschinen muss optimiert werden. Gibt der Kunde beispielsweise zwei Stichworte ein wie „Herzogenaurach Herrenhemd“, so muss als entsprechendes Geschäft in Herzogenaurach das in der Google-Suchfunktion hochploppen. Neue Zielgruppen wie Pendler, Touristen und Neubürger kann man so gewinnen.
Jochmann: Manche Geschäfte haben noch keine digitalisierten Warenwirtschaftssysteme. Doch man muss den Internetauftritt nun als Pflichtteil sehen, Ängste ablegen, in kleinen Schritten gehen, was Sinn macht. Wir haben hier auch Beispiele wie aus Online-Geschäften stationäre Läden wurden, Fairschenk zum Beispiel. Oder die Nähbar, anfänglich mehr online, jetzt auch viel stationär. Auch Garten Hopf ist online stark. Der Einzelhandel steht landauf landab vor den gleichen Herausforderungen.
Hacker: Ein weiteres Beispiel für erfolgreiches Online-Marketing: Der Internetshop Mia cara für höherpreisige Hundeaccessoires in Niederndorf. Erstaunlich, was da möglich ist.
Geht der Schritt in die Zukunft nur mit verstärkter Manpower?
Jochmann: Nicht zwangsläufig. Es geht um Umlernen und neue Handelsstrukturen. Man muss es wollen.Wir bieten Begleitung an, auch einen Online-Marketing-Check. Ein Laden heutzutage braucht kein aufwändiges Kassensystem mehr mit handgeführten Büchern.
Wie gestaltet sich das Online-Thema überhaupt für die Gastronomie?
Jochmann: Generell ist die Gastronomie eine schwierige Branche, deswegen gibt es auch viel Wechsel. Früher hat die Familie mitgearbeitet. Heutzutage braucht man andere Erlösstrukturen. Mit dem Gastroguide haben wir uns erstmals damit auseinander gesetzt. Was Leute vor der Tür haben, wird oft nicht geschätzt. Man kann ruhig stolz sein, auf das was da ist. Nehmen wir das japanische Restaurant Kaizen. Familie Quack hat auch viele auswärtige Gäste. Was wirklich fehlt, ist ein Gasthaus wie die Krone, zumal die Ansprüche der Leute steigen. Nach 14 Uhr wird das Angebot in der Innenstadt schon dünn. Vermisst wird auch die Bude für Pommes mit Currywurst.
Hacker: Die Klagen über die Gastronomie verstehe ich nicht, unsere Gastronomen sind engagiert, das Angebot sehr gut, man muss es halt auch nutzen. An der Schütt arbeiten wir ja an der Umgestaltung. Aber unsere unverrückbare Randbedingung ist eben, dass wir in der Nähe von Erlangen und Nürnberg sind. Trotzdem kann auch bei uns im Zeichen der Renaissance des Haptischen ein Geschäftsmodell funktionieren, das stationär und online verbindet.
Jochmann: Die Attraktivität des inhabergeführten Fachhandels, bei dem nicht alles gleich aussieht wie bei Handelsketten, ist in einigen Stadtvierteln Berlins schon zu beobachten. Oft sind die Händlernachfolger gar nicht aus dem Handel und verbinden neue Geschäftsfelder miteinander, wie Kunst und Kaffeetrinken. Von den Kunden gesucht wird die Verbindung zweier Welten.
In Höchstadt wird zurzeit intensiv über ein geplantes Fachmarktzentrum als potenzielle Konkurrenz zur Innenstadt diskutiert. Wie sieht dies in Herzogenaurach mit den Klingenwiesen aus?
Hacker: Das ist nicht vergleichbar. Auf dem alten Obi-Gelände wird eine Struktur wiedergewonnen, die gefordert war und größtenteils eh schon vorhanden war, etwa ein zweiter Drogerie-Markt. Die Erweiterung ist völlig verträglich und überschaubar.
Ein Schlusswort zum Thema?
Jochmann: Den Herausforderungen der Zukunft muss man sich stellen. Ohne Leidenschaft geht es nicht.
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