Gute Wärme ist so nah
9.4.2012, 15:46 UhrEs ist ein beeindruckender Berg von Mais- und Grassilage. Wohl über fünf Meter hoch türmt sich der Energiestoff hinter Jürgen Heinl auf. „90 Prozent stammen vom eigenen Hof“, sagt der Zweifelsheimer Landwirt. Wenige Meter weiter stehen die Rinderställe. Mist und Gülle von 260 Tieren tragen ebenfalls dazu bei, dass die Biogasanlage stets Nachschub hat. Die Rundsilos mit den typisch aufgeblähten Kunststoffabdeckungen sind hinter Silageberg und Ställen zu sehen. Silage von rund 130 Hektar an selbst bewirtschaftetem Land sowie Mist und Gülle aus dem Rinderstall - das ist die Mischung, mit der Zweifelsheim eine weitere Stufe seiner Energiewende gezündet hat.
Seit Ende November ist die Wärme der Biogas-Stromgeneratoren keine nutzlose Abwärme mehr, sondern wertvolles Wirtschaftsgut. Sie sorgt in 22 von 30 Zweifelsheimer Haushalten für angenehme Wärme. Selbst in den kalten Februarwochen gab es keine Probleme – in Zweifelsheim gibt es keine Zweifel mehr, den richtigen Schritt getan zu haben.
Damit er gegangen werden konnte, war natürlich mehr als nur Silage und Stallmist nötig. Es bedurfte auch der richtigen Menschen mit kreativem Geist und einer gehörigen Portion Knowhow. Der 46-jährige Landwirt Jürgen Heinl hat sich das Projekt nicht eben mal spontan ausgedacht. Bereits vor über zehn Jahren, im Jahr 2001, hatte er seine erste Biogasanlage in Betrieb genommen. Die 50-KW-Anlage machte aus Mist und Gülle hochwertigen Wirtschaftsdünger, dazu kamen die Einnahmen aus der Verstromung des Biogases. „9,8 Cent gab es damals pro Kilowattstunde“, erinnert sich Heinl. Jetzt sind es, insbesondere nach dem von der damaligen rot-grünen Regierung initiierten EEG-Gesetz, weitaus mehr. Aktuell sind es 21 Cent.
Sicherheitstechnisch musste die Anlage stetig erweitert werden, und die teueren Anforderungen, kombiniert mit den höheren Einspeise-Vergütungen, machten es ratsam, über eine Vergrößerung der Anlage nachzudenken. „Die ursprüngliche Anlage war genau auf den Viehbestand ausgelegt,“ erklärt Jürgen Heinl. Doch letztlich entschied sich der Landwirt 2004 dafür, die Anlage auf 420 KW zu erweitern. Das machte den zusätzlichen Einsatz von Silage in der Anlage notwendig.
Zeit war nicht reif
Dadurch stieg die Stromproduktion, aber vergrößerte auch die bis dahin weitgehend nutzlos verpuffende Abwärme der Generatoren. 2006 bereits machte Jürgen Heinl den Versuch, den Mitbürgern in Zweifelsheim die Idee einer Nahwärme-Versorgung nahezubringen. Doch die Zeit war noch nicht reif, hauptsächlich wohl wegen des damaligen Heizölpreises, der bei rund 35 Cent lag.
Ende 2010, das Heizöl kostete jetzt 65 Cent, ging es dann aber plötzlich flott. „Ich bin von Bürgern angesprochen worden, ob es noch was werden könnte mit dem Wärmenetz.“ Bei einer Versammlung wurde schnell klar, dass nun ausreichend Interessenten da sein würden. Der hohe Heizölpreis, alte Heizungsanlagen im Keller, und das notwendige Vertrauen in die Kompetenz von Jürgen Heinl und seinem 23-jährigen Sohn Stefan - jetzt waren viele Zweifler überzeugt. Es wurden Nägel mit Köpfen gemacht.
Eine geografische Besonderheit half. 99 Prozent der Leitungen vom ausgelagerten Heinl-Hof zu den 22 Haushalten konnten auf Privatgrund verlegt werden. „Das war natürlich wichtig, weil wir so gut wie keine Straße aufreißen mussten“, erklärt Stefan Heinl, der zufrieden ist, wie relativ reibungslos das Projekt durchgezogen werden konnte. Dazu beigetragen, ergänzt Jürgen Heinl, habe auch die engagierte Mitarbeit der Stadt, namentlich von Anja Wettstein und Alfons Stadler vom Planungsamt. Die technische Konzeption lag bei der Firma Agrikomp.
Im vergangenen November ging das Nahwärme-Netz in Betrieb, und zufrieden blicken die Heinls auf die erste Heizperiode zurück. Im 30000-Liter Pufferspeicher auf dem Heinl-Hof war immer genug Wärme vorhanden, so dass das extra zur Absicherung gebaute Hackschnitzel-Blockheizkraftwerk gar nicht angeschürt werden musste.
Weitere Verbesserungen
Und jetzt, im Frühjahr und Sommer, muss die Abwärme der Stromgeneratoren auch nicht mehr nutzlos verpuffen. Die Heinl haben ein neues Heißluftgebläse installiert, mit dem sie Schüttgüter wie Hackschnitzel trocknen können. „Das verbessert dann den Wirkungsgrad der Hackschnitzel noch“, freut sich Stefan Heinl. Insgesamt rechnen die Heinls damit, dass die Heizkosten für die Nutzer um 30 bis 40 Prozent sinken werden im Vergleich zum aktuellen Heizölpreis. In den 22 Häusern ist man offenbar zufrieden mit der Nahwärme aus Biogas. Gerhard Egelseer vom „Aurachtaler Angler-Shop“ in Zweifelsheim ist sogar begeistert. Die große alte Heizung wurde herausgerissen, Zuleitungen und ein kleiner Pufferspeicher kamen rein, und plötzlich hatte Egelseer statt eines vollen Heizungskellers einen fast leeren Raum zur freien Verfügung.
Was kam rein? Natürlich eine prima Werkstatt und ein Lagerraum für seine Angelruten. Gerhard Egelseer hat mit dem Anschluss an die Nahwärme-Versorgung einen kapitalen Fang gemacht. Und das ganz ohne einen Haken: „Das ist alles wunderbar gelaufen.“
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