Harrer spricht über Dalai Lama

07.06.2008, 00:00 Uhr
Harrer spricht über Dalai Lama

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Es dauerte einige Zeit, bis sich  die lokalpolitisch aktiven Organisationen der Kleinstädte beziehungsweise Dörfer mit den neuen, durch die 68er Protestaktionen ausgelösten Gegebenheiten auseinander setzten.

Überraschenderweise waren es oft Kirchenvertreter oder christlich inspirierte Gruppen, die öffentlich heiße Themen aufgriffen:

Im Dezember 1967 bezeichnete der Mühlhausener Pfarrer Klaus Loreck bei einem Männerabend der evangelischen Kirchengemeinde den grausamen Krieg in Süd-Ost-Asien als «Erbe des Kolonialismus» und sprach vom «Terrorregime Diems in Südvietnam».

In Herzogenaurach lud die Kolpingsfamilie im Juli 1968 zum Gesprächsabend über die Unruhe an den Universitäten ein, um sich ein Jahr später mit den Thesen eines Sympathisanten der APO (Außerparlamentarische Opposition) in teils hitzigen Wortgefechten auseinander zusetzen.

Im Mai 1968 wurden im Aurachstädtchen erstmals Pfarrgemeinderäte gewählt, wodurch ein frischer Wind auch «den Muff der Kirchen-Talare» zu lüften begann.

Denn im Oktober 1969 lieferte dieses demokratisch legitimierte Gremium einen ersten Zwischenbericht ab, wobei ein junges Ausschussmitglied beispielsweise Diskussionen statt der üblichen Sonntagspredigten forderte, was die überwiegende Zahl der Gemüter im Don-Bosco-Haus allerdings in Wallung brachte.

Um die Wende 1968/69 bildete sich unter Federführung der beiden Lehrkräfte Höfner und Meister sowie der katholischen Kapläne Pape und Hubert ein parteipolitisch neutraler Kreis, der dazu aufrief, die Not Nigerias, speziell Biafras zu lindern.

Mitleid für Afrika

Von da an war Afrika stets im Fokus sozial engagierter Herzogenauracher Bürger, wobei der Mitleidsaspekt erst später vom Ruf nach politischem Druck ergänzt wurde.

Was die Ortsgruppen der dominierenden Parteien CSU und SPD anbetrifft, so hörte man zumindest von den Sozialdemokraten des Aurachstädtchens relativ wenig zu den drängenden Problemen und Bewegungen Ende der 60er Jahre.

Man war viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, denn die Querelen zwischen Bürgermeister Hans Maier und seinem Stellvertreter Konrad Welker drohten SPD-Fraktion und Gesamtpartei zu spalten.

Das Hick-Hack um die erneute Kandidatur des renommierten, aber gesundheitlich angeschlagenen «Jachters» lähmte selbst die starke Gruppe der Jusos, so dass Vietnamkrieg oder APO lediglich zu Randbemerkungen taugten.

Dazu kam, dass die Bundes-SPD eine sehr ambivalente Haltung gegenüber dem aufmüpfigen Teil der Bevölkerung einnahm, da ja gerade die große Koalition und der regierende Bürgermeister von Westberlin, Klaus Schütz, Zielscheiben des Protestes waren.

Allerdings machte man sich - bis hinunter zur lokalen Ebene -  verdient bei der Auseinandersetzung mit der rechten NPD, die damals ganz ungeniert in verschiedenen Gastwirtschaften des Landkreises ihre Sitzungen abhielt und bei der Bundestagswahl im September 1969 in 16 Landgemeinden des Kreises Höchstadt mehr als zehn Prozent der Zweitstimmen gewann.

In Herzogenaurach waren es immerhin 5,8 Prozent und in der Stadt Erlangen 5,25 Prozent.

In der CSU tat man sich, sobald es um die rebellische Jugend und deren Forderungen ging, viel leichter.

Der Kreisvorsitzende der Jungen Union verteidigte im März 1968 Bundespräsident Heinrich Lübke gegen «unqualifizierte Angriffe».

«Umsturz»

Landrat Dr. Georg Daßler verurteilte als Sprecher des CSU-Kreisverbandes kurz nach dem Dutschke-Attentat im April desselben Jahres die Studentenunruhen in den Universitätsstädten und MdB Paul Röhner warnte im Mai 1968 beim Frühschoppen in Lonnerstadt, dass der «SDS» (Sozialistische Deutsche Studentenbund) langfristig den Umsturz plane.

Doch selbst im vermeintlich stabilen und unerschütterlichen christlich-sozialen Block konnten die neuen Signale um mehr Mitsprache nicht mehr ganz unterdrückt werden:

Als im September 1969 der bayerische Ministerpräsident Alfons Goppel im Herzogenauracher Vereinshaus sprechen sollte, begehrte bei der Vorbereitungsrunde im Gasthof «Steigerwald» an der Engelgasse ein jugendliches CSU-Mitglied, damals immerhin RCDS-Vorsitzender im Freistaat, auf und verlangte eine Diskussion im Anschluss an die Rede des prominenten Politikers.

Und auf Einladung des jungen CSU-Bürgermeisterkandidaten Hans Ort referierte Heinrich Harrer, der langjährige Freund und Lehrer des Dalai Lama, im Oktober 1969 vor zirka 600 Realschülern im Vereinshaus.

Die Etablierten begannen die wachsende Politisierung der Nachwuchsgeneration ernst zu nehmen.