Im neuen Mesusa dreht sich alles um Hercules
29.5.2013, 09:00 UhrDass der Buchautor Johann Fleischmann sich Carl Marschütz, dessen Geburtstag sich übrigens heuer zum 150. Mal gejährt hat, widmet, liegt an dessen jüdischer Herkunft: Der umtriebige Forscher, Rechercheur und Schreiber hat sich buchstäblich der Geschichte der jüdischen Gemeinden zwischen Regnitz, Main und Aurach verschrieben. Nachzulesen sind seine Erkenntnisse in mittlerweile neun Ausgaben seiner Mesusa-Buchserie, der jüngste Teil wurde nun in der Burghaslacher Kulturtankstelle vorgestellt. Die zehnte Ausgabe wird bald folgen und eine elfte hat der Mühlhausener zumindest bereits im Kopf, wie er verriet.
Die Geschichte von Carl Marschütz hat Fleischmann zwar bereits in früheren Veröffentlichungen gestreift, diesmal aber widmet er sich ganz dem Industriepionier und Unternehmer. Dafür hat er fleißig Stoff gesammelt: unter anderem Erinnerungen von Bürgern aus Burghaslach, Fotos von der Familie, Fabriken sowie vielen, vielen Zweirädern mit oder ohne Motor. Darüber hinaus sichtete er den Familienstammbaum, persönliche Erinnerungen des Gründers und eine ganze Reihe von Dokumenten und Urkunden — darunter auch das Protokoll der entscheidenden Vorstandssitzung von Hercules zur „Arisierung“ der Firma.
In diesem Treffen wurde die von den Nazis legalisierte Form des Raubes jüdischen Eigentums besiegelt. Carl Marschütz musste sich aus der Geschäftsleitung zurückziehen, er und seine Geschwister wurden für ihre Anteile weit unter Wert „entschädigt“.
Marschütz ging damals bereits auf die 75 zu. Drei Jahre später, im Juli 1941, emigrierte er in die USA. Kurz danach wurde hierzulande damit begonnen, die Juden massenweise zu deportieren und zu ermorden. In Los Angeles, wo der Hercules-Gründer im selben Jahr ankam, lebte er bis zu seinem Tod 1957.
Die Früchte seines Lebenswerkes konnte er dort nicht genießen. Nach Fleischmanns Erkenntnissen fristete er in Kalifornien ein eher karges Dasein.
In der Zeit von 1947 bis 1954 ließ er über seine Anwälte eine ganze Reihe von Rechtsstreitigkeiten austragen, um wieder an sein durch Unrecht verlorenes Vermögen zu kommen. Er klagte gegen Hercules, gegen dessen neue Besitzer und Rechtsnachfolger, gegen die Bundesrepublik Deutschland und gegen Einzelpersonen. Auch darüber sind in Mesusa 9 zahlreiche Dokumente enthalten.
Als „Wiedergutmachung“ wurden seinerzeit solche Entschädigungen bezeichnet. Eine Wortschöpfung, die Johann Fleischmann als völlig daneben betrachtet.
Es erstaunt, wie Carl Marschütz ohne Zorn und mitunter wehmütig über den Atlantik zurückblickt. „Sehen werde ich von Germany nichts mehr, aber meine Gedanken sind noch drüben“, zitiert Fleischmann aus einem Brief an seinen Sohn. Oder: „… ich misse die alte Heimat und die Nürnberger Gegend.“ In Nürnberg ist auch seine Urne beigesetzt, und zwar neben seiner bereits 1931 verstorbenen Frau.
Die Kindheit in Burghaslach hat der Unternehmer als angenehm, frei und unbeschwert in Erinnerung behalten. Die Grundmauern des Hauses, in dem er als eines von acht Kindern des Dorfschullehrers aufgewachsen ist, stehen noch. Mitten in Burghaslach, direkt neben den Resten der Synagoge. Erst auf den zweiten Blick erkennt man die beiden Gebäude wieder, von denen Fleischmann historische Aufnahmen in Mesusa 9 zeigt.
Graf Albrecht Castell zu Castell, der ein Begleitwort zum Buch geschrieben hat, rief den Verfasser bei der Vorstellung dazu auf, seine „sehr wichtigen“ Aktivitäten fortzusetzen.
Nicht über Drohnen und Reißleinen, sondern unter anderem über diplomatische Kanäle ins niederländische Königshaus sprach Verteidigungs-Staatssekretär Christian Schmidt (CSU) an diesem Abend. Auf seine Hinweise hin lese man nämlich auch dort im königlichen Schloss Johann Fleischmann.
Der unermüdliche Mühlhausener Geschichtsforscher hat bekanntlich in Mesusa 8 festgehalten, dass eine Wurzel des Stammbaums des frisch gebackenen Monarchen nach Lonnerstadt führe.
Für alle, die gerne bei der Vorstellung in Burghaslach dabei gewesen wären und mehr wissen wollen: Am Sonntag, 9. Juni, um 16.30 Uhr stellt Fleischmann, im Berufsleben Ingenieur, sein neues Werk im Museum Industriekultur in Nürnberg vor. Er bittet um Voranmeldung — per Mail an johann.fleischmann@mesusa.de
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