Wenn Essen zum Problem wird

02.06.2005, 00:00 Uhr
Wenn Essen zum Problem wird

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Was Brigitte Hartig täglich zu hören bekommt, ist erschütternd. Junge Frauen, die aufgefressen werden von der Gier nach immer weniger Gewicht. Die sich bestrafen für jede einzelne Kalorie. Die ihren Körper abgrundtief verabscheuen. „Es ist schockierend“, sagt die Sozialpädagogin, die sich im Gesundheitsamt des Landkreises um die soziale Beratung kümmert und vor gut einem Jahr die Koordination des Netzwerks übernommen hat. Denn: „Essstörungen sind vor allem für Jugendliche ein ernst zu nehmendes gesundheitliches Problem“, sagt Hartig. Anlaufstellen und Hilfsangebote seien dringend nötig, sowohl für Betroffene als auch für Angehörige. Im Netzwerk vereint sind 30 Gruppen und Organisationen, die Beratungs- und Therapiemöglichkeiten bieten.

Um das noch immer stark tabuisierte bzw. verharmloste Thema mehr ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken und die Sensibilität der Menschen zu schärfen, leistete die Vereinigung Pionierarbeit. Sie veranstaltete für Lehrer und Lehrerinnen aller Schulen in der Stadt Erlangen und dem zugehörigen Landkreis eine Fortbildung zum Thema „Ess-O-Ess — Wenn Essen zum Problem wird“ (siehe Interview). Das Ziel: Mindestens eine Lehrkraft pro Schule sollte für die schwierige Kommunikation mit essgestörten Schülern ausgebildet werden. Schließlich zählen Schülerinnen zwischen 13 und 20 Jahren zur Risikogruppe. Die Resonanz war überraschend groß: 60 Pädagogen machten sich unter fachkundiger Anleitung von Ärzten, Sozialpädagogen und Psychologen mit der Psyche magersüchtiger oder bulimischer Patienten vertraut. Sie lernten, herauszufinden, welche Schülerinnen potentiell gefährdet sind und wie sie mit ihnen ins Gespräch kommen. „Das ist das Schwierigste“, sagt Brigitte Hartig. Überall lauerten

Fallen und Fettnäpfchen. Manche würden erst nach einigen Anläufen über ihre Krankheit reden, andere überhaupt nicht. Das müssen sie auch nicht. „Es reicht, eine Atmosphäre des Vertrauens zu schaffen und ihnen das Gefühl zu geben: Ich bin da, wenn Du mich brauchst“, erklärt Hartig.

Dann ist die Hemmschwelle zumindest ein kleines Stück niedriger . . .

Das Netzwerk Essstörungen hat ein Faltblatt mit Hilfsangeboten und Adressen für Betroffene in Erlangen und Umgebung herausgegeben. Es ist zu beziehen über das Landratsamt Erlangen-Höchstadt, Gesundheitsamt, Schubertstraße 14, 91052 Erlangen, Tel. (0 91 31) 7 14 40.