Hunderte Kilometer: S-Bahn-Netz wächst und wächst
27.9.2017, 11:00 UhrDirk Domhardt holt ein A4-Papier mit drei Grafiken hervor. Der Leiter der Abteilung Verkehrsplanung beim Verkehrsverbund Großraum Nürnberg (VGN) will zeigen, wie das Nürnberger S-Bahn-Netz in den vergangenen 30 Jahren Stück für Stück gewachsen ist.
Die erste Grafik zeigt die Anfänge des Netzes, als es nur aus wenigen Ästen bestand: Zu sehen sind die Verbindungen Nürnberg Roth, Nürnberg-Altdorf und Nürnberg-Lauf. Die Linie Nürnberg-Lauf wurde 1987 in Betrieb genommen - also vor genau 30 Jahren. Die S2 (Nürnberg-Altdorf) folgte 1992, Nürnberg-Roth als letzte der drei Verbindungen ging 2001 an den Start.
In der zweiten Grafik ist das Netz bereits um etliche Strecken erweitert. Es ist ein Abbild des derzeitigen Zustands - abgesehen vom Haltepunkt Dombühl, der erst Ende 2017 ans S-Bahn-Netz angeschlossen sein wird und Allersberg, das ab 2018 von S-Bahnen angefahren wird. In der Vorstellung der Verkehrsplaner, die in den 1970er Jahren die einzelnen S-Bahn-Linien konzipiert hatten, sollte so einmal das fertige Netz aussehen.
Nicht alle waren einverstanden
Damit waren aber nicht alle Regionalpolitiker einverstanden - besonders nicht jene in den Landkreisen Neustadt/Aisch-Bad Windsheim und Nürnberger Land. Seit den 90er Jahren fordern sie immer wieder, dass auch in ihren Orten, die bereits an das Gleisnetz angeschlossen sind und auf denen Regionalbahnen verkehren, eine S-Bahn hält.
Verkehrsplaner bezeichnen diese Strecken als "Korridor West" und "Korridor Nordost". Unter dem Korridor West ist die Strecke Nürnberg-Neustadt/Aisch, Nürnberg-Markt Erlbach und Nürnberg-Cadolzburg zu verstehen. Beim "Korridor Nordost" handelt es sich um die Verbindungen Nürnberg-Hersbruck-Neuhaus sowie Nürnberg-Simmelsdorf-Hüttenbach.
Vom Wunsch bis zur Realisierung einer neuen S-Bahn-Linie ist es mitunter ein sehr weiter Weg. Bevor zusätzliche Gleise verlegt und Bahnhöfe umgebaut werden, sind zahlreiche Untersuchungen notwendig. So muss zunächst errechnet werden, ob genügend Pendler die S-Bahn nutzen würden und sie damit wirtschaftlich ist.
Finanziertes Projekt
Eine Studie, die 2008 in Auftrag gegeben wurde, hat für den Korridor Nordost einen Nutzen-Kosten-Faktor von 1,29 ermittelt. Ein Projekt muss einen Wert über 1,0 erreichen, damit der Bund es finanziell fördert. Die Förderung aus Berlin ist wichtig, da Verkehrsprojekte sehr teuer sind und ohne finanzielle Zuwendung nicht realisiert werden könnten. Das Geld für S-Bahn-Projekte kommt sowohl vom Bund als auch vom Freistaat im Verhältnis 60:40. Die Städte und Kreise müssen sich laut Domhardt nicht finanziell beteiligen.
Für eine S-Bahn im Korridor Nordost sind jedoch nicht nur ausreichend Fahrgäste Voraussetzung, sondern auch, dass die Strecke elektrifiziert ist. Dabei ist ein Fahrdraht über den Gleisen gespannt, der die Fahrt von elektrisch betriebenen Zügen ermöglicht.
Bislang ist die Strecke, für die ein 30/60-Minuten-Takt angestrebt wird, nicht elektrifiziert - das könnte sich in Zukunft aber ändern. Im neuesten Bundesverkehrswegeplan 2030, der vor einigen Monaten in Berlin vorgelegt wurde, ist das Vorhaben als Projekt mit einer hohen Priorität vermerkt. Einen Zeitplan, wann mit der Elektrifizierung begonnen wird, gibt es aber nicht.
Jetzt komme es darauf an, sagt Dirk Domhardt, die Planungen für die S-Bahn mit denen für die Elektrifizierung rechtzeitig aufeinander abzustimmen. "In Hersbruck sind etwa neue Bahnsteige und auch das Verlegen von Gleisen notwendig."
Konkret bedeutet das, Gespräche mit DB Netz zu führen. Die Tochterfirma der Deutschen Bahn (DB) ist verantwortlich für Arbeiten an Gleisen, Tunneln und Signalen. Sie wird den Fahrdraht spannen.
Zugfahren auf zwei Etagen
Der neue Bundesverkehrswegeplan enthält auch für den Korridor West gute Nachrichten. Der Bau eines drittes Gleises zwischen Fürth/Hauptbahnhof und Siegelsdorf ist ebenfalls in einer Kategorie mit einer hohen Dringlichkeit gelistet.
Das zusätzliche Gleis ist nötig, weil bereits ohne den geplanten S-Bahn-Verkehr viele Züge auf dem Streckenabschnitt fahren. Es soll für Entlastung sorgen. Aber auch in diesem Fall ist unklar, wann das Gleis gebaut wird.
Für Dirk Domhardt ist mit der Priorisierung des Gleisbaus erst einmal ein wichtiger Schritt geschafft - es kann in den Planungen weitergehen. Im Herbst soll für die Strecke unter Annahme eines 20/40-Minuten-Taktes der Nutzen-Kosten-Faktor berechnet werden.
Domhardt geht davon aus, dass die Ergebnisse erst nach sechs bis neun Monaten vorliegen. Ein verbesserter Takt ist nur ein Vorteil gegenüber der Regionalbahn, die hier gegenwärtig fährt. Ein S-Bahn-System bedeutet auch durchgängige Barrierefreiheit und modernere Fahrzeuge auf der Strecke.
Dinkelsbühl als Touristen-Magnet
Geht es nach VGN-Geschäftsführer Andreas Mäder, sollten nicht nur Neuhaus und Neustadt an der Aisch ans S-Bahn-Netz angeschlossen werden, sondern auch Dinkelsbühl - aus gutem Grund: "Die Stadt ist ein touristischer Magnet."
Im Klartext heißt das: Viele Touristen, die Nürnberg einen Besuch abstatten, könnten per S-Bahn schnell Dinkelsbühl erreichen. Würde Dinkelsbühl ins S-Bahn-Netz aufgenommen, wäre das Netz in den Augen Mäders vollständig ausgebaut. Weder Mäder noch Domhardt wagen eine Prognose, wann dies erreicht sein wird. Sollten die Pendlerzahlen in den kommenden Jahren steigen, muss nicht zwangsläufig das Netz weiter ausgebaut werden. Laut VGN ist es möglich, entweder die Züge zu verlängern oder - wie in Zürich - doppelstöckige Bahnen einzusetzen.
Eine andere Option ist es, die Züge häufiger fahren zu lassen. Dafür braucht es allerdings moderne Signaltechnik. Sie existiert jedoch bereits - bei der Nürnberger U-Bahn.
3 Kommentare
Um selbst einen Kommentar abgeben zu können, müssen Sie sich einloggen oder sich vorher registrieren.
0/1000 Zeichen