In Corona-Zeiten wird der Hund zum Seelentröster
11.6.2020, 05:44 UhrMarianne Ruß vom bayerischen Ableger des Verbandes für das Deutsche Hundewesen (VDH) sieht die Entwicklung mit Sorge: "Familien wollen bespaßt und unterhalten werden. Ein Hund bietet eine Beschäftigung und momentan haben alle mehr Zeit", sagt Vorständin Ruß. "Doch bald gibt es immer mehr Lockerungen, die Leute wollen wieder reisen. Dann wird der Hund lästig und muss ins Tierheim", befürchtet sie.
"Langlebige und gesunde Hunde"
"Wir haben daher unseren Züchtern geraten, vorsichtig mit der Zucht umzugehen und die Zeit zwischen den Würfen möglichst lange hinauszuziehen." In Deutschland gebe es mit die strengsten Zuchtbestimmungen weltweit. "Wir wollen langlebige, gesunde Hunde und keine schnell gezüchteten." Der Markt sei teilweise überflutet mit Tieren aus dem Ausland, produziert von "Schwarzzüchtern". Auch diese Tiere würden "gekauft, gekauft, gekauft".
Auch Manuela Wortmann, regionale Zuchtwartin beim IKFB aus dem Landkreis Roth erlebt in Corona-Zeiten einen Ansturm an Interessenten. "In den letzten vier Wochen erhielt ich rund 60 Anfragen aus ganz Deutschland - auch aus Österreich und der Schweiz", sagt die Züchterin.
Die potenziellen Käufer werden von ihr erst einmal gründlich unter die Lupe genommen, ob eine gute Betreuung gewährleistet ist und wie die Arbeitszeiten des Herrchens oder Frauchens aussehen, ob sich jemand im Urlaub kümmern kann oder ob ein Garten vorhanden ist. Und vor allem: Wie geht es nach Corona weiter? Ist dann auch noch Zeit für den Welpen? "Wenn man da genau nachhakt, sieht man schon bald die Probleme", weiß Wortmann.
Ein schnelles Geschäft
Im Juli erwartet ihr Bulldoggenweibchen einen weiteren Wurf von vier bis sechs Welpen. 20 Interessenten sind in ihre engere Auswahl gekommen. Aus Sicht der Expertin besteht das Problem derzeit darin, dass Hobbyzüchter aus dem Ausland, aber auch hiesige, die nicht im VDH organisiert sind, Hundewelpen produzieren "und so die Rasse kaputtmachen, weil sie sich nicht an die Zuchtvorgaben halten". 250 bis 300 "Bully-Welpen" werden von VDH-Züchtern pro Jahr registriert.
Natürlich befinden sich sehr viel mehr auf dem Markt: "Dass mit der Zucht von französischen Bulldoggen ein schnelles Geschäft gemacht wird, gefällt uns nicht," sagt das Verbandsmitglied.
Beim Tierheim Feucht ist die Nachfrage nach Hunden in Coronazeiten größer, "wenn auch kein exorbitanter Run zu verzeichnen ist", wie sich Herbert Sauerer, Vorstand des Trägervereins des Tierheims, ausdrückt. Man frage bei den Interessenten gerade noch genauer nach, ob sie sich die Sache mit dem Vierbeiner gut überlegt haben. Schließlich habe jedes Tier ein gewisses Vorleben und eine eigene Persönlichkeit.
Es gehe dem Tierheim um eine dauerhafte Vermittlung und nicht um eine vorübergehende in Krisenzeiten. Generell glaube man aber an das Gute im Menschen, sodass das Tierheim auch nach Corona nicht damit rechnet, dass Hunde, die sich als "Fehlkauf" herausstellen, im Heim landen: "Wir nehmen uns derzeit noch mehr Zeit für Gespräche, schließlich wollen wir ein optimales Gespann ", so Sauerer, und: "Um die Ansteckungsgefahr zu minimieren vermitteln wir derzeit nur mit Termin".
Traumhund auf eBay gefunden
Kathrin Walther, Mutter zweier Töchter, wollte zunächst auch einen Hund aus dem Tierheim zu sich nehmen. Doch dann stöberte sie auf ebay-Kleinanzeigen – und hatte Glück. Die Familie fand auf Anhieb ihren "Traumhund". Dabei war ihr wichtig, beim Verkäufer eben nicht an einen bloßen "Vermehrer" zu gelangen, sondern an einen seriösen Züchter.
Was die Hunderasse betraf, waren Vater, Mutter und die Kinder völlig ergebnisoffen. Ihr Mischlingsrüde Caspar war im Herbst 2019 mit 16 Jahren gestorben.
Eigentlich wollte sich die haustiererprobte Familie bis September Zeit lassen, um einen neuen, schon stubenreinen Hund anzuschaffen. "Doch dann kam Corona und wir waren plötzlich alle viel zu Hause. Das war auch der Anlass einen Welpen anzuschaffen, um den wir uns nun alle vier kümmern können. Denn so ein kleiner Hund braucht so viel Aufmerksamkeit wie ein Baby", weiß das erfahrene Frauchen.
Aus der Region und nicht zu groß sollte das neue Familienmitglied sein. Sie stießen bei den Anzeigen auf einen Wurf Havaneser, den eine Familie in der Oberpfalz abgeben wollte. Auf Youtube informierte sich die Familie über die Eigenschaften der Hunderasse: klein, unkompliziert, kinderlieb. "Ideal für uns!" Schnell war der Kontakt übers Telefon und den Videochat zu der Muttertier-Familie hergestellt. "Wöchentlich konnten wir online sehen, wie sich unser schwarzer Welpe in der Wurfbox entwickelte", sagt Walther.
"Unser Lebensmittelpunkt"
Vor gut zwei Wochen war es dann so weit. Sie durften den kleinen Hund abholen. "Er ist unser neuer Lebensmittelpunkt und tut allen gut", sagt sie. Und für die Töchter, denen heuer die Reiterferien weggebrochen sind, ist die kleine Hundedame mehr als ein kuscheliges Trostpflaster. Auch wenn Mutter Kathrin federführend die Erziehung von Billie übernommen hat, sollen die Töchter auch Verantwortung tragen und sich gemeinsam um das Tier kümmern. Die Havaneserin heißt übrigens Billie – nach der jungen Popsängerin Billie Eilish, die die Mädchen so mögen.
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